Die Nonne und der Tod
sind das für Tätowierungen?«
»Sie sind in meiner Gegend üblich.«
»Was ist das für eine Gegend?«
»Florenz«, sagte Richard. Mir gegenüber hatte er nie von einem Ort namens Florenz gesprochen, aber er sagte es so beiläufig, dass ich mir nicht sicher war, ob er log.
»Aha.« Erasmus trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte. »Und hast du dir deine Kleidung in Florenz oder Coellen verdient?«
Richard lächelte. »Ich verdiene sie mir, wo immer ich gebraucht werde.«
Der Apotheker lachte so knapp, dass man es mit einem Blinzeln hätte übersehen können. »Wie heißt du?«
»Richard.«
»Ist das dein Weib?«
»Mein Name ist Ketlin«, sagte ich, bevor eine weitere Lüge zu all den anderen hinzukam. Aus den Augenwinkeln sah ich, dass Richard kurz die Lippen zusammenpresste, so als sei ihm nicht recht, dass ich das Wort ergriffen hatte.
Erneut verweilte Erasmus’ Blick länger auf meinem Gesicht als nötig, ich wusste nicht, weshalb. Schritte und das Klirren von Geschirr unterbrachen den Moment.
Innerhalb weniger Lidschläge war das Zimmer voller Diener. Brot, Butter, kleine geräucherte Würstchen und frisches Obst wurden aufgetischt, dazwischen Schalen platziert mit etwas, das ich noch nie gesehen hatte und das Erasmus Feigen nannte, und Wein wurde uns eingeschenkt.
Die Diener verschwanden so schnell, wie sie gekommen waren, und der Apotheker forderte uns mit einer übertrieben großzügigen Geste auf zu essen. Er selbst trank nur etwas süßen Wein.
Hat er es wirklich nötig, vor uns anzugeben?, dachte ich, während ich mit kleinen Bissen, so wie es mir Schwester Johannita beigebracht hatte, eines der Würstchen aß. Ich hatte Hunger, aber zum Glück knurrte mein Magen nicht.
»Es muss schwierig sein, seine Vorratskammer in Zeiten wie diesen derart gut gefüllt zu haben«, sagte Richard und drehte eine Feige zwischen den Fingern.
»Solche Zeiten bergen nicht nur Schwierigkeiten, sondern auch Möglichkeiten, man muss sie nur als solche erkennen.« Erasmus musterte Richard mit seinem Raubvogelblick. »Das weiß wohl kaum jemand so gut wie du.« Richard ging nicht auf die Bemerkung ein, also fuhr Erasmus fort. »Ich hatte bis vor kurzem ein Abkommen mit einer der Familien, doch nun möchte man dort nachverhandeln, was mir missfällt. Jemand erwähnte, es gäbe auch andere, die Dienste anbieten, wie ich sie benötige.«
»So ist es.«
Die beiden Männer begannen zu verhandeln, ohne mich zu beachten. Erasmus wollte Waren in die Stadt schmuggeln lassen, Öle und Kräuter für die Masken, aber auch einiges für sich selbst und, das verstand ich nicht ganz, zum Verkauf an andere. Anfangs hörte ich noch zu, doch nach einer Weile schwand meine Aufmerksamkeit, und meine Gedanken schweiften ab.
Überall in der Stadt waren Soldaten, die in kleinen Gruppen um den Dom patrouillierten. Ich glaubte nicht, dass sie nach mir suchten, trotzdem war ich froh über die Maske, die ich draußen wieder tragen würde.
Wissen sie überhaupt, wen sie suchen?, fragte ich mich. Hat Johannita mich beschrieben und ihnen meinen Namen genannt?
Davon musste ich eigentlich ausgehen, und wenn dem so war, würden die Schmuggler schon bald erfahren, dass die in der ganzen Stadt gesuchte Hexe eine ehemalige Novizin namens Ketlin war.
Nervös schluckte ich ein Stück Brot hinunter.
»Mein Bote sollte in den nächsten Tagen eintreffen«, sagte Erasmus in diesem Moment. »Er wird in einem Dorf nicht weit von hier warten und euch die Ware übergeben.«
»Wer ist dieser Bote?«, fragte ich rasch, bevor Erasmus fortfahren konnte.
Er sah mich an und war sichtlich verwirrt wegen der Frage.
Ich räusperte mich. »Ich frage nur, weil deine Diener bestimmt nicht so gebildet und weltgewandt sind, dass sie einen solch schwierigen Auftrag ausführen könnten. Hast du einen Lehrling, der diese Dinge für dich erledigt?«
Ich hätte mich am liebsten geohrfeigt, so naiv und albern klangen die Worte in meinen Ohren.
Erasmus hob die Augenbrauen. »Deine Gemahlin zerbricht sich offenbar gern den Kopf anderer Leute.«
Es war eine Zurechtweisung, aber Richard – und dafür war ich ihm ehrlich dankbar – tat so, als würde er das nicht bemerken. »Ehrlich gesagt, Apotheker, habe ich mir die gleichen Gedanken gemacht. Die Waren sind von großem Wert. Ihr müsst demjenigen, der sie beschaffen soll, vertrauen.«
»Und das schließt meinen Lehrling bereits aus.« Erasmus trommelte erneut mit den Fingern auf der Tischplatte. Er hatte lange,
Weitere Kostenlose Bücher