Die Nonne und der Tod
Moment stehen, aber niemand rührte sich. Die meisten starrten auf den Boden vor ihren Füßen oder auf einen Punkt hinter Georg an der Wand. Nur Paul seufzte laut. »Hätte nicht so ausgehen müssen. Ich hab dir gesagt, dass du dein verdammtes Gerede lassen sollst.«
Georg verzog das Gesicht. Ich sah Bedauern in seinem Blick. »Jetzt kannst du wenigstens fluchen, so viel du willst.«
Er ging an den anderen vorbei zu seiner Schlafstätte und zog dort einen Sack hervor.
Ich wandte meine Aufmerksamkeit wieder Jacob zu. Er hatte die Augen geschlossen und atmete ein wenig ruhiger als zuvor. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie sich Georg von einigen Männern und Frauen verabschiedete, vor allem von Paul. Sogar Czyne hielt er die Hand hin, aber weder Richard noch mir. Dann ging er auf den Ausgang des Höhlenraums zu.
»Warte!«, rief Femeke plötzlich. »Ich komme mit!«
Er blieb stehen. Ich hob den Kopf. In den letzten Wochen hatte ich nicht den Eindruck gehabt, dass sich Femeke und Georg gut verstanden.
»Wegen der Kinder«, sagte sie entschuldigend zu Richard, dann begann auch sie ihre Sachen zu packen. Die beiden Mädchen standen unschlüssig neben ihr, verstanden nicht, was gerade geschah.
»Niemand nimmt dir das übel«, sagte Richard.
Als sie fertig war, verließ ich Jacobs Schlafstätte, um mich von ihr zu verabschieden. Wir umarmten uns und wünschten uns gegenseitig Glück, dann verließ Femeke zusammen mit Georg die Höhle.
Czyne hatte sich wieder auf die Bank gesetzt, nahm einen kräftigen Schluck Bier und rief: »Du hast es gesagt, Richard, und es wird so kommen!«
Er runzelte die Stirn, schien nicht zu verstehen oder nicht verstehen zu wollen, worauf sie sich bezog. Ich wusste es. In meinem Inneren hörte ich seine Worte, die sie wiederholt hatte. Ich brachte nichts als Verderben über andere.
Immer wieder nickte ich ein, immer wieder erwachte ich mit einem Stich des schlechten Gewissens. Der Tag verging schleppend. Ich tat für Jacob, was ich konnte, aber nichts schien zu helfen. Die Beulen hatten zu eitern begonnen und stanken, obwohl ich sie ständig säuberte, und das Fieber war höher als je zuvor. Wenn es nicht sank, würde dies seine letzte Nacht auf Erden sein.
Irgendwann legten sich bis auf Richard und mich alle schlafen. Es musste draußen Nacht sein. Nur Richard blieb am Tisch sitzen, mit einem Krug Wein vor sich. Czyne war längst in die Herrenhaus-Höhle gegangen, und ich sah, dass auch ihm ständig die Augen zufielen.
»Geh schlafen, du kannst nichts tun«, sagte ich, als er ein weiteres Mal hochschreckte.
Er schüttelte den Kopf. »Ich lasse dich nicht allein mit ihm.«
Mehr sprachen wir nicht. Nach einer Weile sank sein Kopf auf die Tischplatte und kam nicht mehr hoch. Ich schloss den Vorhang, legte mich neben Jacobs Lager auf den Boden und hielt mir ein sauberes Tuch vors Gesicht. Leise begann ich zu weinen. Ich weinte, bis meine Gedanken zur Ruhe kamen und mein Kopf leer war, dann presste ich Jacobs heiße, trockene Hand an meine Wange und schloss die Augen.
Als ich sie wieder öffnete, war seine Hand kalt.
Reglos blieb ich liegen. Ich wollte nie wieder aufstehen, wollte nicht in sein regloses Gesicht blicken und mich dem Leben stellen, was danach auf mich wartete.
Es ist vorbei, dachte ich. Alles ist vorbei.
Seine Finger zuckten.
»Ketlin?« Seine Stimme, dünn wie hundertfach abgekratztes Pergament. »Ich habe Durst.«
Ich sprang auf.
Kapitel 30
Er schlief fast den ganzen Tag, wachte nur auf, um etwas zu trinken oder ein wenig von der Hühnerbrühe zu sich zu nehmen, die Femeke ihm gekocht hatte. Ich wünschte, sie wäre noch bei uns gewesen und hätte sehen können, wie gut sie ihm tat.
Wenn ich durch die Höhle hing, behandelten mich die Menschen dort anders als zuvor. Ich sah Respekt in ihren Blicken, hörte ihn in ihren Worten. Sie alle wussten, dass die Seuche ein Todesurteil war, etwas anderes hatte nie jemand gesagt. Und doch war ein Kranker vor ihren Augen geheilt worden.
Ja, es stimmte, Jacob würde gesund werden. Das Fieber war zurückgegangen, sein Verstand klar. Die Beulen schmerzten immer noch, aber es waren keine neuen hinzugekommen.
»Du hast es geschafft«, sagte auch Richard, als er am Nachmittag von einem Auftrag zurückkehrte.
»Ja.« Ich machte mir nicht die Mühe, meinen Stolz zu verbergen.
Er schüttete sich Wein in einen Krug und verdünnte ihn mit Wasser. »Ich habe mich in der Stadt umgehört. Niemand weiß etwas über Erkrankte. Doch das
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