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Die Nonne und der Tod

Die Nonne und der Tod

Titel: Die Nonne und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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muss nichts heißen, vielleicht liegt schon jemand tot in irgendeiner Kammer. Ich denke, es war Jacob, der die Krankheit eingeschleppt hat. Der Rat muss davon erfahren, für den Fall, dass er jemanden angesteckt hat.«
    Der Gedanke war mir noch nicht gekommen. »Wenn sich herumspricht, dass die Seuche in der Stadt ist, wird es zu einer Panik kommen.«
    »Solche Dinge lassen sich nicht verheimlichen.« Richard stellte den Krug ab, nachdem er einen kräftigen Schluck genommen hatte. »Ich werde nachher versuchen, einen der Ratsherren zu sprechen.«
    »Was willst du ihm sagen? Dass der Mann, den du in die Stadt geschmuggelt hast, die Seuche zu uns brachte?«
    »So sehr wollte ich nicht ins Detail gehen.«
    »Aber sie werden nach Einzelheiten fragen.« Eine Idee entstand in meinem Kopf. Ich redete, um ihr Zeit zu geben, sich zu entfalten. »Sie werden den Kranken sehen wollen, und wir haben nur einen Gesunden, der – und das werden sie herausfinden – heimlich in die Stadt gebracht wurde. Sie werden denken, dass du aus deiner Geschichte von der eingeschleppten Seuche Kapitel schlagen willst, und dann werden sie Jacob und dich in den Kerker werfen.«
    Richard setzte sich auf die Holzbank. Offenbar dachte er über meine Worte nach, dann sah er mich an und fragte: »Dann tun wir nichts?«
    »Ich könnte mit dem Bürgermeister sprechen.« Der Satz war wie ein Köder, den ich ins schlammige Wasser warf.
    »Du?« Richard stieß den Atem aus. »Bist du verrückt?«
    »Es war nur eine Idee.« Und eine, die ich nicht aufgeben wollte. Vielleicht war ich nicht Wilbolts Tochter , sondern sein Fehler , aber ich würde ihm beweisen, dass auch ein Fehler Gutes bewirken kann.
    Richard musterte mich einen Moment lang.
    »Ich sehe besser nach Jacob«, sagte ich und erhob mich, damit sich Richard meinen Vorschlag in Ruhe noch einmal durch den Kopf gehen lassen konnte.
    Jacob war wach und saß auf seinem Lager. Die Farbe war in sein Gesicht zurückgekehrt, aber die tiefen Ringe unter den Augen und die Beulen an seinem Hals zeugten noch von der Krankheit.
    »Ich habe gehört, worüber ihr geredet habt«, sagte er, als ich mich in seinen Kabuff beugte. »Ich glaube, ich habe mich auf dem Schiff angesteckt. Es lagen überall tote Ratten unter Deck.«
    Ich legte ihm die Hand auf die Stirn. Er hatte tatsächlich kein Fieber mehr, nicht einmal erhöhte Temperatur. »Die ganze Stadt ist voll mit toten Ratten. Ich sehe sie seit Wochen in den Abwasserkanälen liegen.«
    »Abdullah hat die Ausbrüche untersucht. Tote Ratten sind immer das erste Anzeichen für die Seuche. Er weiß nicht, warum.« Jacob ergriff meine Hand. Ich setzte mich neben ihm auf das Bett. »Ich weiß nicht, was du getan hast, um mich zu retten, aber wir müssen eine Liste mit allem aufstellen, das du zu meiner Behandlung verwendet hast.«
    Ich dachte an die verschiedenen Kräutermischungen, die ich in meiner Verzweiflung mitten in der Nacht angerührt hatte. »Wir können es versuchen.«
    »Gut. Und wir müssen alles verbrennen, mit dem ich in Berührung gekommen bin, vor allem meine Kleidung, dieses Strohlager, die Decken und die Tücher. Das gehört zu den ersten Lektionen, die Lehrlinge bei Abdullah lernen.«
    »Wir haben genügend Sachen, die du anziehen kannst.« Ich knetete seine Hand, spürte auf einmal, wie meine Kehle eng wurde, und kämpfte gegen die Tränen an. »Ich hätte dich beinahe verloren.«
    »Und ich dich.«
    Eine Weile sahen wir uns schweigend an, dann räusperte sich Jacob. »Wir sollten anfangen.«
    »Ja.«
    Gemeinsam mit Paul packte ich alles, auf das Jacob zeigte, in große Säcke. Zu zweit halfen wir ihm auf und führten ihn in eine andere Kammer. Es ging ihm besser, aber es würde noch Tage dauern, bis er die Schwäche, die der Kampf gegen die Krankheit zurückgelassen hatte, überwunden hatte.
    Richard beobachtete, was wir taten, half uns aber nicht. Wahrscheinlich befürchtete er, sich noch immer anstecken zu können.
    Im Innenhof schichteten wir alles auf. Das Stroh war so trocken, dass es sofort aufloderte.
    Ich sah mich kurz um, dann zog ich mir die Kapuze meines Umhangs über den Kopf und sagte zu Paul: »Bleib du hier und achte auf das Feuer. Ich muss nur kurz etwas besorgen.«
    »Allein?«, fragte Paul, aber ich tat so, als würde ich ihn nicht mehr hören, und huschte davon.
    Ich wusste, wo das Rathaus stand und wo der Bürgermeister wohnte. An einem dieser beiden Orte, so hoffte ich, würde ich ihn antreffen. Mit war klar, dass auch Richard

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