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Die Nonne und die Hure

Die Nonne und die Hure

Titel: Die Nonne und die Hure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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offensichtlich darauf, in ein anderes Kloster gebracht zu werden. Celina warf einen Blick auf die Wasserseite, wo die klostereigene Gondel lag, und dachte an das, was der Abt hier getrieben hatte. Das Wasser war über die Ufer getreten; der Wind wehte von Nordost, und ein brackiger Geruch lag in der Luft, wie immer, wenn sich ein Hochwasser ankündigte. Jetzt, im November, kam es regelmäßig dazu.
    »Wer hat denn jetzt die Leitung des Klosters inne?«, fragte Christoph eine der Nonnen, die verängstigt an einer Säule lehnte.
    »Ein Laienabt namens Pater Friosi«, antwortete das Mädchen mit niedergeschlagenen Augen.
    »Wo finden wir ihn?«
    »In den Räumen von Abt …« Sie stockte.
    »Wir wissen Bescheid, wir waren schon einmal hier«, sagte Christoph, und sie gingen den bekannten Weg zu den Räumen des Abtes. Auf ihr Klopfen öffnete ihnen ein mittelgroßer Mann im Benediktinergewand. Er hatte kluge, graue Augen.
    »Was ist Euer Begehr?«, fragte er.
    »Nach den Ereignissen der letzten Tage würden wir gern wissen, wohin der Abt Lion verreist ist.«
    »Wenn ich das selber wüsste! Ich bin erst heute hier eingesetzt worden, um ein wenig für Ordnung zu sorgen. Mein Kloster liegt auf der Insel Burano, und ich habe gestern mit Schrecken vernommen, was der Abt seit vielen Jahren hier getrieben hat.«
    »Wir gehen davon aus, dass er nicht mehr in der Stadt ist«, sagte Celina. »Hat er auswärtige Freunde oder Gönner?«
    Der Laienabt legte seine Stirn in Falten. »Manchmal machte er Reisen zum Lago del Benaco , zum Gardasee. Dort besuchte er einen Comte, der in einem Palazzo – ich glaube, in Riva – lebt.«
    »Wisst Ihr den Namen von diesem Comte?«
    »Nein, aber er soll von den Scaligern abstammen.«
    »Das war’s auch schon, was wir wissen wollten«, sagte Celina. »Danke vielmals für Eure Auskunft.«
    »Geht mit Gott, Kinder«, sagte der Laienabt. »Und möge der Allmächtige alles zu einem guten Ende führen, die Bösen bestrafen und die Guten belohnen.«
    »Was sollen wir jetzt tun?«, fragte Celina, nachdem sie das Kloster verlassen hatten. Sie schlenderten auf dem Zattere , einem gemauerten Kai am Ostufer des Stadtteils Dorsoduro, entlang. Hier war die Armut deutlicher zu spüren; Wäsche war zum Trocknen zwischen den Häusern aufgespannt, und schmutzige Kinder spielten auf dem Boden mit Murmeln. Der brackige Geruch des Wassers war stärker geworden.
    »Ich glaube, wir bekommen Hochwasser«, sagte Celina.
    »Es sieht so aus. Ich schlage vor, wir machen uns morgen auf den Weg zum Gardasee.«
    »Unbedingt! Ich bin dabei. Aber die heutige Nacht möchte ich in unserem Familienpalazzo in der Stadt verbringen. Er gehört ja nun wieder meiner Familie.«
    »Ganz allein?«, fragte Christoph.
    Sie lachte. »Wie sähe es denn aus, wenn ich mit dir dort übernachten würde? Mein Ruf ist schon angeschlagen genug.«
    »Ich habe ein merkwürdiges Gefühl dabei. Pass auf dich auf, Celina!«
    Celina holte den Schlüssel für das Haus bei den Signori della Notte , der ihr anstandslos ausgehändigt wurde. Auf dem Weg zum elterlichen Palazzo sah sie, dass das Wasser in den Kanälen immer höher stieg. Sie hatte das unbestimmte Gefühl, nicht allein zu sein, als würde sie von jemandem verfolgt. Die Leute hatten es eiliger als sonst; sie liefen zu ihren Häusern, um Möbel und Wertgegenstände vor der Flut zu retten. Auf der Piazza San Marco trat ihr ein Mann in den Weg. Er war von der Sonne sehr braun gebrannt, trug einen weißen Bart und hatte wasserhelle Augen. Es war der Kapitän der Guiseppe Desoderata , der sie von Ostia nach Genua mitgenommen hatte. Der Kapitän streckte ihr die Hand entgegen.
    »Wie ich sehe, seid Ihr wohlbehalten in der Serenissima angekommen«, meinte er.
    »Ich bin Euch zu Dank verpflichtet«, entgegnete Celina. »Von Euch habe ich auch etwas über die Stürme auf dem Mittelmeer gelernt. Wie kommt Ihr von Genua hierher?«
    »Wir sind ohne weiteren Aufenthalt nach Konstantinopel gesegelt. Dort habe ich einen Sklavenhändler kennengelernt, der mir erzählte, dass er vor einiger Zeit zwei venezianische Edelleute freigelassen hätte. Ich habe sie gesehen, und ich dachte mir, das könnte etwas mit der Frau zu tun haben, die mit mir von Ostia nach Genua gefahren ist.«
    »Gewiss hat das etwas mit mir zu tun!«, rief Celina. »Es könnten meine Eltern gewesen sein, die ich für tot gehalten hatte!«
    »Sie sind wohlauf«, meinte der Kapitän. »Sie leben bei dem Sklavenhändler, haben aber keine Mittel,

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