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Die Nonne und die Hure

Die Nonne und die Hure

Titel: Die Nonne und die Hure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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Wasser gefüllt war, und als es heiß war, ließ sie es in die Wanne laufen. Dann entkleidetet sie sich, holte ein leinenes Handtuch, ein Stück Seife, das nach Rosenöl duftete, und stieg in die Wanne. Es war ihr erstes Bad seit Monaten, und alle Müdigkeit und aller Verdruss, alle Angst und alles Entsetzen fielen von ihr ab. Wohlig entspannte sie sich, wusch sich mit der duftenden Seife, stieg aus der Wanne und griff zu dem Handtuch. Sie ging in ihr Zimmer hinüber, zog ein Nachthemd aus Batist über und schlüpfte in ihr Bett. Die Sterne schienen zum Fenster herein, sie dachte an den morgigen Tag, an dem sie mit Andriana nach einer Schiffspassage suchen würde. Sie hörte das Wasser des Kanals an die Mauern schwappen. Bald war sie eingeschlafen.
    Mitten in der Nacht wurde sie durch ein Geräusch geweckt. Es klang wie ein entferntes Poltern, von weit unten, wahrscheinlich aus dem Untergeschoss. Die Wellen plätscherten heftiger an das Gebäude. Celina stand auf, zündete eine Öllampe an, warf sich ihren Mantel über und stieg vorsichtig die Treppe zum primer piano hinunter. Sie öffnete die Tür zum Wassergeschoss. In der Dunkelheit erkannte sie einen Schatten, der bei ihrem Anblick den Arm erhob. Sie wollte den Mund zu einem Schrei öffnen, aber es kam kein Ton heraus. Ein schwerer Gegenstand wurde ihr auf den Kopf geschlagen, und es wurde dunkel um sie.

34.
    Als Celina erwachte, hatte sie das Gefühl, sich in einer Art Krypta zu befinden. Mit Entsetzen stellte sie fest, dass sie an Händen und Füßen gefesselt war. Ein Knebel steckte in ihrem Mund. Wer hatte sie niedergeschlagen? Gegen alle Vernunft fiel ihr Lion ein. Aber der Abt musste doch längst fort sein. Ihr Körper fühlte sich steif an; er war eiskalt, und sie hörte ein Plätschern, von dem sie nicht wusste, woher es kam. Nachdem ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, richtete sie sich mühsam auf. Ihre zusammengebundenen Hände ertasteten die Oberfläche des Bodens: Stein, mit flachen Riefen und kleinen Löchern darin wie bei einem Schwamm … Wo hatte sie das schon gesehen? Dann fiel es ihr ein: Sie befand sich im Wassergeschoss des Palazzo Gargana, und jemand wollte ihr ans Leben.
    Celina merkte, dass ihre Füße von Wasser umspült waren. Das war Brackwasser, giftiges, stinkendes Wasser, so, wie es der Schirokko in die Kanäle hineintrieb. Wenn es der Wind in die Kanäle drückte, wurden die Keller und Wassergeschosse in ganz Venedig überflutet. Das Plätschern, das sie die ganze Zeit hörte, kam jedoch nicht vom eindringenden Wasser, sondern vom Brunnen. Celina wurde starr vor Angst. Was konnte sie getan haben, dass sie jemand auf diese Weise umbringen wollte? Wenn die Flut sich wieder verzogen hatte, würde man sie finden, schlammbedeckt, mit glasigen Augen. Nach zwei Wochen im Wasser schält sich die Haut ab, hatte sie einmal gehört. Nanna und die anderen toten Mädchen hatten auch so ausgesehen. Um Gottes willen, ich muss hier raus! dachte sie. Das Wasser schwappte schon an ihren Knien entlang. Ihr Mantel, densie sich über das Nachthemd geworfen hatte, war schwer und feucht. Ihre Zähne klapperten. Sie schloss die Augen. Wenn sie nicht ertrank, würde sie vermutlich an Unterkühlung sterben.
    Als sie die Augen wieder öffnete, sah sie zwei schwarze, blankgeputzte Schuhe sowie Beinlinge und Halbhosen aus grauem Samt. Ihr Herz setzte zwei Schläge lang aus. Schaudernd wanderte ihr Blick an einem schwarzen Umhang und einem roten Wams hinauf zu einem Gesicht, das sie schemenhaft zu erkennen meinte, bis zu dem Barett auf dem Kopf. Das Antlitz war mit einer Totenmaske bedeckt, die Augen blicklos in ihre Höhlen gebettet. Das musste eine Täuschung sein. Seine Stimme, die er jetzt erhob, klang wie aus einem Grab.
    »Du bist nun da, wo ich dich immer haben wollte«, sagte der Mann hinter der Maske. »Endlich habe ich dich erwischt und kann meinen Auftrag erfüllen.«
    Celina versuchte zu antworten, doch der Knebel in ihrem Mund hinderte sie daran. Sie hob ihre gefesselten Hände. Mit einer schnellen Bewegung zog der Mann den Knebel heraus.
    »Was habe ich getan?«, fragte sie verzweifelt. »Wer seid Ihr, was wollt Ihr von mir?«
    »Ich führe das aus, was mir bisher nicht gelungen ist, im Auftrag meines Herrn. Du hast nichts von ihm wissen wollen. Das passiert einem Mann wie ihm einfach nicht. Dabei hättest du eine der angesehensten Frauen der Stadt werden können!«
    Eine eiskalte Hand griff nach Celina.
    »Ihr könnt doch nicht

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