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Die Nonne und die Hure

Die Nonne und die Hure

Titel: Die Nonne und die Hure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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Sonntag, deshalb hat er ausnahmsweise auch Mariconda da.«
    »Was ist das?«, fragte Christoph.
    »Ein Teig aus Semmelbröseln, Eiern und Käse; er wird in der Brühe löffelweise gekocht. Besonders empfiehlt der Wirt Lasagne und Pappardelle, Taglierini, Gnocchi und Makkaroni. Und danach Zuckermandeln.«
    »Eigentlich ist es mir gleichgültig, was ich esse.«
    »Dann nimm doch Suppe und Papardelle.« Hans winkte dem Wirt zu und bestellte. »Normalerweise pflegen die Venezianer Maß zu halten, besonders wenn sie keinen dicken Geldbeutel haben«, fügte er hinzu.
    Christophs Gedanken flogen weit fort, ins ferne Deutschland, aus dem er weggegangen war, weil er für die Sache, derentwegen seine Eltern in Frankreich gestorben waren, kämpfen wollte. Er dachte an die Versammlungen in schummrigen, weihrauchgeschwängerten Kirchen oder in verfallenen Hütten. An den Schweißgeruch und die Kälte, die Angst, die Tag und Nacht ihr Begleiter war. Und er dachte an Reinhard von Geldern, seinen Ziehvater, der sich seiner angenommen hatte. Wie durch einen unsichtbaren Vorhang drangen die Worte seines neuen Freundes an sein Ohr. Hans sprach offensichtlich vom Essen.
    »Nach der Entdeckung Amerikas vor etlichen Jahren«, erklärte Hans, »begann man in den Küchen der Reichen besonders gerne Truthahn zuzubereiten.«
    Der Wirt servierte ihnen die dampfende Suppe, die nach Kreuzkümmel und Thymian duftete, dazu zwei Becher Wein aus dem Veneto. Das brachte Christophs Lebensgeister zurück. Während sie den zweiten Gang, Papardelle undMakkaroni, verzehrten, fragte er: »Wie leben die Verleger hier in der Stadt?«
    »Sie sind meist auch Besitzer von Druckereien. Seit der Buchdruck erfunden wurde, herrscht ein anderer Wind. Aber das weißt du ja selbst. Schließlich hast du studiert und sicher eine Menge Bücher gelesen.«
    »Gewiss«, antwortete Christoph. »Aber wie ist es hier? Ich habe gehört, dass die Verleger in Venedig einen schweren Stand hätten.« Er hoffte, dass Hans nicht die Anspannung bemerkte, mit der er diese Worte hervorgebracht hatte.
    Hans blickte ihn argwöhnisch von der Seite an. »Warum interessiert dich das? Die Verleger hier sind ein ganz eigenes Völkchen. Es sind Deutsche darunter, Juden, Franzosen, Spanier, Niederländer.«
    Christoph senkte die Stimme, damit die Anwesenden ihn nicht verstehen konnten. »Haben sie die Freiheit zu drucken, was sie wollen?«
    Einige Gäste verließen das Gartenlokal, so dass sie ungestört miteinander sprechen konnten.
    »Du erinnerst dich sicher, dass im Jahre 1520 die Schriften Luthers in der Bulle Exsurge verboten wurden«, begann Hans. »Daraufhin verbrannte Luther in aller Öffentlichkeit die päpstliche Bulle. Ein Jahr später wurden in Rom alle Schriften Martin Luthers verbrannt und er selbst in effigie , in Abwesenheit, gleich mit zum Tod auf den Scheiterhaufen verurteilt.«
    »Die Inquisition war an allem schuld«, murmelte Christoph. »Und der Papst.«
    »Papst Paul III. bestimmte 1542 sechs Kardinäle zu General-Inquisitoren für die ganze katholische Kirche. Der Grund dafür war ein Streit darüber, welche Bücher verboten werden müssten und welche erlaubt seien.«
    »Das weiß ich«, sagte Christoph. »Ich habe es selbst an der Universität Tübingen zu spüren bekommen. Immerdie Angst der Kirche, es könnte sich reformistisches, angeblich ketzerisches Gedankengut ausbreiten.«
    »Na ja, so unrecht hatten sie nicht damit«, meinte Hans und zwinkerte ihm zu. »Dieses Gedankengut hat sich ja ausgebreitet, oder nicht?«
    »Sie werden es nicht verhindern«, meinte Christoph. »Und wenn sie noch so viele Menschen verbrennen. Selbst aus dem Rauch der Scheiterhaufen, aus der Asche der Verbrannten wird noch eine neue Saat aufgehen.«
    Hans schaute ihn bewundernd an. »Alle Achtung, in dir steckt ja ein Poet!«
    »In meinem Zimmer in der Tübinger Burse habe ich nachts Gedichte geschrieben.«
    »Die musst du mir zeigen«, sagte Hans und lächelte. »Auf jeden Fall werden Bücher und Flugschriften als Werkzeuge der Reformation angesehen. Im letzten Jahr gab es den Index Librorum Prohibitorum – eine Liste mit über 1 000 verbotenen Büchern.«
    »Und wenn ein Verleger es wagt, ein solches Buch zu drucken und in den Handel zu bringen, wird er ein Fall für die Inquisition.«
    »So ist es. Allerdings geht es den Verlegern und Buchhändlern nicht nur schlecht. Auf der Buchmesse in Venedig, in Leipzig und in anderen großen europäischen Städten treffen sie sich, tauschen

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