Die Nonnen von Sant'Ambrogio: Eine wahre Geschichte (German Edition)
die Zettel an Pater Peters gerichtet, um die «Unschuld der Meisterin» zu verteidigen. «Sie las mir das vor, um mich von ihrer Unschuld bei der Vergiftung zu überzeugen. Bevor die Meisterin weggebracht wurde, sagte sie mir, dass ich ihre Unschuld verteidigen sollte; so wie sie, wenn ich weggebracht worden wäre, meine Unschuld verteidigt hätte. Jetzt ist mir bewusst, warum sie so redete. Sie fürchtete sich vor ihren Taten.»
Weitere Morde
Die Taten Maria Luisas, von denen Maria Ignazia in ihren Verhören sprach, bezogen sich jedoch nicht nur auf die Mordversuche an Katharina von Hohenzollern. Vielmehr hatte die Madre Vicaria mehrfach versucht, auch andere Nonnen umzubringen.[ 51 ]
Zunächst zum Fall Maria Giacinta, der sich in der ersten Hälfte des Jahres 1859 abgespielt haben muss. Die Schwester von Anwalt Luigi Franceschetti hatte beobachtet, wie Maria Luisa Glas zerstoßen und unter die Mahlzeiten der Fürstin gemischt hatte, und zeigte sich auch über andere «Betrügereien» im Hinblick auf die Vergiftung Katharinas gut informiert. Darüber sprach sie mit der Äbtissin, Pater Peters und anderen Nonnen, und schließlich konfrontierte sie auch Maria Luisa selbst mit ihrem Wissen: «Ja, ich habe es gesehen, ich habe es gesehen.»
Maria Luisa sah jetzt in Maria Giacinta eine gefährliche Mitwisserin, die beseitigt werden musste. Maria Francesca erhielt denn auch umgehend den Auftrag, im Namen des Engels und der Gottesmutter mehrere Briefe an Pater Peters zu schreiben. Die Gottesmutter sprach darin über das einstige «Lieblingstöchterchen» Maria Giacinta, die zusammen «mit ihrer Meisterin für etwas ganz Großes bestimmt» gewesen sei. Nun war sie nur noch eine «hochmütige» und «stolze» Nonne, die vom Beichtvater und der Äbtissin unbedingt «gedemütigt» werden müsse. Schließlich hieß es: «Maria Giacinta wird an ihrer Krankheit sterben; ihr Leben wird um viele Jahre verkürzt werden, weil sie die erhabene Stufe der Glorie neben ihrer Meisterin verloren hat.»
Maria Giacinta wurde daraufhin vom Beichtvater unter Druck gesetzt. Sie war völlig verwirrt und stand Todesängste aus, weil sie befürchtete, vergiftet zu werden. Schwester Giuseppa Maria bestätigte diesen Verdacht. Maria Giacinta sei aufgrund einer Überdosis Opium oder etwas Ähnlichem von einer starken Entzündung des Darms und Geschwüren am Hals befallen worden. Dadurch sei sie so erschöpft gewesen, dass sie im Sterben lag. Ihr Bruder unterstrich die Aussagen Maria Francescas und Giuseppa Marias. Seine Schwester sei tatsächlich aufgrund zweier Pillen Opiums, die ihr Maria Luisa verabreicht hatte, dem Tode nahe gewesen. Sie wäre gestorben, wenn ihr nicht der Klosterarzt im letzten Moment ein Gegenmittel eingeflößt hätte. Der Mediziner habe sogar behauptet, eine derartige Menge Opium hätte auch ein Pferd umbringen können.
Aufgrund dieser und anderer Indizien sowie weiterer Zeugenbefragungen konnte die Inquisition beweisen, dass die Madre Vicaria in den Tagen nach Maria Giacintas Opiumvergiftung tatsächlich versuchte, ihr auch noch eine starke Dosis eines weiteren Gifts zu verabreichen, um sie damit endgültig umzubringen. Es handelte sich wahrscheinlich um Zeitlosensamenwein, der aus den Blüten der Herbstzeitlosen gewonnen wurde. In geringen Dosen fand er Anwendung gegen Gicht, höher dosiert stellte er ein absolut tödliches Gift dar. Auch diesen Mordversuch hatte Maria Luisa mit einem Brief der Madonna an Pater Peters vorbereitet, in dem erneut von dem bevorstehenden Tod dieser Ordensschwester als Strafe Gottes gesprochen worden war. In diesem Schreiben waren auch der genaue Zeitpunkt und die näheren Umstände des Todes präzise angekündigt worden. Die kranke Maria Giacinta bemerkte das Komplott jedoch und weigerte sich standhaft, den flüssigen Stoff zu sich zu nehmen.
Als es mit dem himmlisch angekündigten Tod Giacintas nichts werden wollte, beseitigte Maria Luisa den Brief der Gottesmutter und ließ einen neuen schreiben, in dem die Madonna nun mitteilte, Maria Giacinta müsse aufgrund der Gebete, der Bußen und der Verdienste ihrer erstgeborenen Tochter Maria Luisa doch nicht sterben.
Dieses Glück war der Novizin Maria Agostina nicht beschieden, deren tragischer Fall sich im Oktober 1858 abspielte. Die junge Nonne rühmte sich, Ekstasen und Visionen zu haben. Insbesondere die Mutter Gründerin sei ihr mehrfach erschienen. Eine Reihe von Ordensschwestern folgte der neuen Visionärin und glaubte ihren
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