Die Nonnen von Sant'Ambrogio: Eine wahre Geschichte (German Edition)
Die Mutter Gründerin kündigte an, Pater Peters werde in dem Kästchen, in dem sich sonst die Himmelsbriefe befanden, Geld finden, das die verstorbene Maria Felice vom Himmel schicke, um Sant’Ambrogio ihre Krankheitskosten zurückzuerstatten. Tatsächlich fand der Jesuit in Anwesenheit der Novizenmeisterin in dem Kästchen eine Geldrolle mit hundert goldenen Scudi sowie fünfzig Scudini[ 59 ] und fünfundzwanzig Münzen zu fünfundzwanzig Paoli. Auf einem Zettel stand geschrieben: «Almosen, das Maria Felice schickt, um ihr Versprechen der heiligen Tochter Maria Luisa gegenüber zu erfüllen.»
Auch während der Renovierung der Klosterkirche wurden in der Rota, der drehbaren Durchreiche zwischen Klausur und Außenbereich, zwei Mal Umschläge mit jeweils fünfzig Scudi gefunden. Nach langen Untersuchungen Salluas gab Rechtsanwalt Franceschetti schließlich zu, er habe die Rolle mit den hundert neuen Goldscudi im Auftrag Maria Luisas besorgt, die ihm dafür gebrauchtes Geld gegeben habe.
Auch sonst ging Maria Luisa ziemlich großzügig mit dem Geld des Klosters um, für das sie als Vikarin der Äbtissin zuständig war. Die «Himmelsringe», das Rosenöl, das Büttenpapier für die Himmelsbriefe und auch das wertvolle Kästchen mussten schließlich irgendwie bezahlt werden. Außerdem erhielt Pater Peters mehrfach große Summen für seine Beichtkinder, die in finanzielle Not geraten waren. So schickte der Himmel dem Jesuiten für eine gewisse Vittoria Marchesi 570 Scudi; ein andermal waren es sogar 700 Scudi aus Gold.
Wahrscheinlich entnahm Maria Luisa einfach Geld aus den Mitgiften zahlreicher Nonnen, die diese bei ihrem Eintritt in Sant’Ambrogio hinterlegt hatten und die den finanziellen Grundstock der Frauengemeinschaft bildeten, und zweckentfremdete es.
Die Finanzverwaltung des Klosters unter der Ägide von Maria Luisa befand sich insgesamt in einem chaotischen Zustand, wie Anwalt Franceschetti, der ihr Gebaren eigentlich hätte kontrollieren müssen, in seinem Verhör am 12. September 1860 einräumte.[ 60 ] «Nun werde ich etwas zur Verwaltung des Klosters Sant’Ambrogio sagen. Wie bereits erwähnt, ist diese vollkommen rechtswidrig. Erstens fehlt ein allgemeines Konto für Einnahmen und Ausgaben, man hat dort für gewisse Posten etwas Separates, das nicht im Hauptbuch verzeichnet ist. Auch bei den verzeichneten Posten fehlen die jeweiligen Belege. Dies wird besonders bei der Mitgiftsumme deutlich. Ich will damit sagen, dass diese Belege nicht genauer bestimmt sind oder, besser gesagt, nicht in den Rücklagen der Zahlungsposten angegeben werden. Manche Mitgiften sind gar nicht verzeichnet.» Der Advokat kam, sich selbst entschuldigend, zu dem Schluss: «Neben all diesen Unregelmäßigkeiten in den Konten konnte ich erkennen, wie diese Ordensschwestern eine im Gegensatz zu den anderen Klöstern und gegenüber den Beauftragten und Vorgesetzten freie und unabhängige Verwaltung als einzigartiges Privileg betrachteten. Nur in der allerletzten Zeit war es mir möglich, … all das zu erkennen.»
Mit dem Nachweis der Morde und der finanziellen Unregelmäßigkeiten hätte sich Sallua zufriedengeben können, er fügte zum Abschluss seiner Relazione für die Kardinäle des Heiligen Offiziums jedoch einen letzten Titulus über ein Thema ein, das ihm besonders am Herzen lag: die Rolle der beiden Beichtväter.
Die Beichtväter als Mitwisser und Mittäter
Bei der kritischen Durchsicht der Zeugenaussagen kam der Dominikaner zu dem Ergebnis, dass «mal der eine, mal der andere, oft jedoch auch beide Beichtväter zusammen, sich aller kriminellen Taten, die in diesem Prozess behandelt werden, bewusst waren».[ 61 ] Sie hätten sich entweder als «Förderer» und Mitwisser oder gar als «Mittäter» erwiesen. Dabei war der Ausgangspunkt der zahllosen Verbrechen der falsche Heiligenkult, den Leziroli und Peters mit großem Aufwand propagierten. Dass die beiden Beichtväter die «Hauptförderer der Heiligkeit und der mutmaßlichen Gaben» von Schwester Maria Luisa waren, war für Sallua «so sicher, dass es aus jeder Vernehmung, man könnte fast sagen, aus jedem Blatt der gut dreizehn Prozessbände eindeutig resultiert».
Leziroli hatte sich der Äbtissin gegenüber sogar zu der Aussage verstiegen, er könne «die Heiligkeit Maria Luisas nie infrage stellen, selbst wenn ein Engel ihm das Gegenteil sagen würde». Und Peters äußerte mehrfach, er habe «die Beweise der außerordentlichen Gaben und der Heiligkeit Maria
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