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Die Nonnen von Sant'Ambrogio: Eine wahre Geschichte (German Edition)

Die Nonnen von Sant'Ambrogio: Eine wahre Geschichte (German Edition)

Titel: Die Nonnen von Sant'Ambrogio: Eine wahre Geschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Wolf
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auf. Er ordnete das Material anhand der drei Hauptanklagepunkte (Kult der Firrao, falsche Heiligkeit Maria Luisas, Giftanschläge und andere Verbrechen) und untergliederte diese noch einmal in insgesamt vierzehn Einzelanklagen. Sallua hob zu allen Punkten hervor, dass die von ihm präsentierten Fakten und Zeugenaussagen bis ins kleinste Detail übereinstimmten. Seine eigene Meinung brachte der Untersuchungsrichter allenfalls zwischen den Zeilen zum Ausdruck. Die Kardinäle sollten sich ihr Urteil aufgrund des aufbereiteten Materials selbst bilden.
    Erst auf der allerletzten Seite seiner Relazione machte Sallua der Kongregation konkrete Beschlussvorschläge, nicht ohne zuvor noch einmal zu unterstreichen, dass «niedere» Motive bei der Anklageerhebung der Fürstin keine Rolle gespielt hätten: Zwischen der anklagenden Prinzessin und der Beschuldigten Maria Luisa habe es nie gegenseitige Feindschaft gegeben. Auch zwischen den Nonnen, Katharina von Hohenzollern, Maria Luisa und den beiden Beichtvätern sei es nicht um eine Abrechnung oder Rache gegangen. Das eigentliche Motiv für die geplante Ermordung Katharinas war die Geheimhaltung des Systems Sant’Ambrogio. Die Inquisition werde hier definitiv nicht zur Begleichung alter Rechnungen missbraucht. Am Ende schlug der Untersuchungsrichter den Eminenzen folgende Maßnahmen vor:
    Erstens: Anklageerhebung gegen die Beichtväter Leziroli und Peters wegen der Förderung des Kults der falschen Heiligkeit der Firrao und Maria Luisas, als Mittäter und Mitwisser der Vergiftungsanschläge und anderer «falscher Maximen» sowie wegen «gotteslästerlicher Praktiken sub specie boni et privilegii» und «fortgesetzter Übertretung der Klausur»; im Falle von Pater Peters wegen sexueller Beziehungen «ad malum finem» zu seinem Beichtkind Maria Luisa und Sollicitatio. Interessant ist, dass der Vorwurf des Bruchs des Beichtgeheimnisses hier nicht explizit aufgeführt wird, obwohl mehrere Zeuginnen ihn mehr oder weniger direkt erhoben hatten.
    Zweitens: Anklageerhebung gegen die Äbtissin Maria Veronica wegen fortgesetzten Meineides und als Mittäterin oder zumindest Mitwisserin all der genannten Straftaten.
    Drittens: Anklageerhebung gegen die alten Gefährtinnen der Agnese Firrao, die rund siebzig Jahre alten Schwestern Maria Gertrude, Maria Caterina und Maria Colomba als «Förderinnen ihrer verurteilten Heiligkeit, der unmoralischen Maximen und Praktiken» sowie der angemaßten Heiligkeit Maria Luisas.
    Viertens: Auch die anderen Nonnen, die in ihren Vernehmungen die Heiligkeit der Firrao und Maria Luisas vertreten hatten, waren als «Mittäterinnen» zu betrachten, obwohl «einige sich stärker als andere fanatisch und störrisch gezeigt haben». Einer Reihe jüngerer Schwestern und Novizinnen billigte Sallua jedoch zu, dass «sie eher irregeführt als verdorben waren und eigentlich keinen bösen Willen hatten». Die Küsterin Maria Maddalena, die Bettgespielin der Novizenmeisterin Maria Giacinta, die Komplizin Maria Luisas Maria Ignazia, die Sekretärin und Schreiberin der Himmelsbriefe Maria Francesca, die «Giftsachverständige» Agnese Celeste, die zweite Krankenschwester Giuseppa Maria und Schwester Maria Gesualda hätten erst im Verlauf der Vernehmungen das ganze Ausmaß des «Übels und der Betrügereien erfahren und ehrliche Reue empfunden». Sie hatten durch ihre schonungslose Ehrlichkeit und Offenheit vor dem Tribunal Salluas Respekt erworben und ihn offenbar gnädig gestimmt. Sie hätten sich dadurch die Feindschaft der übrigen verstockten Nonnen von Sant’Ambrogio zugezogen. «Sie haben sich uns anvertraut und gesagt, sie befänden sich in ständiger Gefahr.» Gegen sie solle daher keine Anklage erhoben werden. Wenn man der Situation aber nicht grundsätzlich abhelfe, werde in Sant’Ambrogio alles so weitergehen wie in den vorangegangenen fünfzig Jahren.
    Am 27. Februar 1861 wurden in der Sitzung der Kongregation ohne den Papst Verlauf und Ergebnis des Informativprozesses auf der Basis der gedruckten Relazione ausführlich diskutiert. Die Kardinäle folgten weitgehend den Vorschlägen Salluas. Im Einzelnen beschlossen sie: Die Äbtissin Maria Veronica, gegen die Anklage erhoben wurde, sollte von Sant’Ambrogio nach Santa Maria del Rifugio gebracht werden. Auch die beiden Beichtväter wurden unter Anklage gestellt, freilich ohne sie zunächst von ihren geistlichen Ämtern zu suspendieren. Der General der Jesuiten sollte dafür sorgen, dass Peters und Leziroli

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