Die Normannen
unehelichem Sohn Graf Robert von Gloucester angeführte Adelsopposition bildete, die für Mathilde Partei ergriff. Als Mathilde im September 1139 selbst nach England kam, begann ein Bürgerkrieg. Anfangs war die Kaiserin erfolgreich und konnte 1141 ihren Rivalen gefangen nehmen. Sie ließ ihn aber bald wieder frei, so dass der Kampf weiterging. Weite Teile Englands, vor allem der Westen, wurden verwüstet, und der Adel stärkte seine Stellung auf Kosten der Krone.
Während Mathilde in England war, gelang es ihrem in Frankreich gebliebenen Mann, Gottfried von Anjou, die Normandie zu erobern und 1146 in Rouen als Herzog anerkannt zu werden. Der älteste Sohn von Gottfried und Mathilde, der am 5. März 1133 geborene Heinrich II., wurde ab 1142 von seinem Vater als
rectus heres Anglie et Normannie
(rechtmäßiger Erbe Englands und der Normandie) bezeichnet. Mathilde, die offensichtlich keine Möglichkeit mehr sah, persönlich das Erbe ihres Vaters anzutreten, verließ 1148 die Insel und zog sich in die Normandie zurück. Ihr Sohn griff indes ohne großen Erfolg mehrfach militärisch in England ein.
Heinrich II. erlangte nach seiner Rückkehr in die Normandie gegen die Ansprüche seines Bruders Gottfried auch die Herrschaft über die Grafschaft Maine; dazu kam nach dem Tod seines Vaters 1151 auch noch die Grafschaft Anjou. Kurz vorher hatte König Ludwig VII. von Frankreich (1137–80) ihn als Herzog der Normandie anerkannt, indem er seine Huldigung (
homagium
) entgegennahm. Ein großer Erfolg Heinrichs war seine am 18. Mai 1152 vollzogene Heirat mit Eleonore. Diese war die Erbin des Herzogtums Aquitanien, das große Teile Südwestfrankreichs umfasste. Eleonores Ehe mit dem französischen König war kurz vorher annulliert worden, offiziell wegen zu naher Verwandtschaft der Eheleute, in Wirklichkeit wegen zunehmender Entfremdung zwischen dem asketischen Kapetinger und der lebenslustigen Südfranzösin, die ihm außerdem in vierzehn Ehejahren nur zwei Töchter, aber keinen Thronfolger geboren hatte.
Als Heinrich II. Anfang 1153 erneut nach England übersetzte, zeigte sich bald, dass dort wenig Interesse an einer Fortsetzung der Kämpfe bestand. Der überraschende Tod von König Stephans Sohn Eustachius am 17. August 1153 erleichterte die Beendigung des Thronstreits. Anfang November wurde vereinbart, dass Stephan von Blois zwar bis zum Lebensende König blieb, er jedoch Heinrich II. adoptierte, ihn als Erben anerkannte (unter Umgehung eines jüngeren Sohns namens Wilhelm) und an seiner Herrschaft teilhaben ließ. Daraufhin kehrte Heinrich II. in die Normandie zurück, wo er praktisch nur noch auf den Tod des Königs wartete, der kaum ein Jahr danach, am 25. Oktober 1154, eintrat.
Der mehr als fünfzehnjährige Bürgerkrieg um die Nachfolge Heinrichs I. führte zu einer erheblichen Schwächung des Königtums und zu einer Stärkung von Adel und Kirche. Es ist bezeichnend, dass in dieser Zeit die Zahl der englischen Herzogtümer von sechs auf zweiundzwanzig anstieg. Doch die Probleme der anglo-normannischen Monarchie hatten bereits mit der Erbregelung Wilhelms des Eroberers begonnen und belasteten die Regierung seiner Söhne Wilhelm II. und Heinrich I., die ihm auf den englischen Königsthron nachfolgten. Mit diplomatischen und militärischen Mitteln sowie Verwaltungsreformen gelang es Heinrich I. allerdings, im Laufe seiner 35jährigen Herrschaft die Monarchie zu stärken und ihr in Europa Ansehen zu verschaffen.
Die normannisch-englische Integration Die normannische Eroberung von Wales, die zur Zeit Wilhelms I. begonnen hatte, ging unter Heinrich I. weiter. Sie wurde durch die Integration der walisischen Bistümer in die Kirchenprovinz Canterbury gefestigt. Gleichzeitig versuchten vor allem jüngere Söhne der in England ansässig gewordenen normannischen Adelsfamilien ihr Glück im Dienst der Könige von Schottland und integrierten sich dort rasch. Letztere unterstanden zwar formal den anglo-normannischen Herrschern, in der Praxis regierten sie jedoch selbständig. In Irland begann die Einwanderung normannischstämmiger Adelsfamilien hingegen erst unter Heinrich II. abetwa 1169/72, also zu einer Zeit, als die eigentliche normannische Epoche Englands bereits vorbei war. In diesem Fall sollte man also nicht mehr von normannischer, sondern besser von englischer oder anglo-normannischer Besiedlung sprechen.
Während in den ersten Jahrzehnten nach der normannischen Eroberung Englands
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