Die Normannen
Sohn starb, was aber nicht eintraf, da ihm 1165 doch noch ein Erbe geboren wurde. Sie brachte jedoch als Heiratsgut die seit langem umstrittene Grafschaft Vexin mit. Auch der zweite Sohn Heinrichs II., Richard Löwenherz, wurde mit einer Tochter des französischen Königs verlobt. Mit dem römisch-deutschen Kaiser Friedrich I. Barbarossa (gest. 1190) verständigte sich der englische König 1165 ebenfalls über ein doppeltes Ehebündnis: Seine älteste Tochter Mathilde sollte Barbarossas Vetter Heinrich den Löwen, Herzog von Bayern und Sachsen, heiraten, eine weitere Tochter namens Eleonore den ältesten, damals noch nicht einjährigen Sohn Barbarossas namens Friedrich. Dieser starb allerdings bereits 1168/69, woraufhin Eleonore 1170 mit König Alfons VIII. von Kastilien verlobt wurde, den sie 1176 heiratete. Die dynastischen Verbindungen Englands mit Südeuropa verstärkten sich ein Jahr später: Johanna, eine weitere Tochter Heinrichs II., heiratete König Wilhelm II. von Sizilien, einen Urenkel des um 1055 in Süditalien eingewanderten Normannen Roger I. von Hauteville, von dem wir noch hören werden (s. Kap. III).
Das Bündnis Heinrichs II. mit Friedrich Barbarossa erklärt sich aus der schwierigen Lage, in der sich beide Herrscher damalsbefanden: Der staufische Kaiser war seit 1160 von Papst Alexander III. (gest. 1181) exkommuniziert, weil er nach der Papstwahl von 1159, aus der zwei Päpste hervorgegangen waren, nicht diesen, sondern Viktor IV. (gest. 1164) unterstützt hatte. Auch der englische König war in Bedrängnis: Seine 1164 erlassenen Konstitutionen von Clarendon, in denen er die Privilegien des englischen Klerus stark einschränkte und ihn der weltlichen Gerichtsbarkeit unterstellte, riefen den energischen Protest des Erzbischofs von Canterbury, seines früheren Kanzlers Thomas Becket, hervor, der von Papst Alexander III. unterstützt wurde. Der französische König Ludwig VII. vermittelte, um so indirekt seine eigene Stellung zu stärken: Er erreichte, dass der nach Frankreich geflohene Erzbischof 1170 nach England zurückkehrte.
Der Konflikt zwischen Heinrich und Thomas eskalierte allerdings bald, denn keiner der beiden war zu einem Kompromiss bereit. Bei einem Essen fragte der englische König ärgerlich, ob ihn denn niemand von diesem lästigen Kirchenmann befreien könne. Einige Ritter aus seinem Gefolge nahmen diese Äußerung ernster, als der Herrscher sie gemeint hatte; wahrscheinlich hatte er nur seinem Ärger Luft machen wollen. Doch das Missverständnis hatte fatale Folgen: Die Ritter, überzeugt davon, im Auftrag ihres Königs zu handeln, töteten Becket am 29. Dezember 1170 in seiner Bischofskirche.
Der Mord in der Kathedrale war ein schwerer Schlag für das Ansehen Heinrichs II., der dafür verantwortlich gemacht wurde. Erzbischof Wilhelm von Sens belegte die kontinentalen Besitzungen Heinrichs mit dem sogenannten Interdikt: Dabei handelte es sich um eine Art Streik des Klerus, infolge dessen keine Sakramente mehr gespendet wurden, keine öffentlichen Gottesdienste und keine kirchlichen Begräbnisse stattfanden. Eine solche Maßnahme musste großen Unwillen bei der betroffenen Bevölkerung hervorrufen und Widerstand gegen den Herrscher provozieren. Der Papst hielt sich hingegen zunächst zurück und begnügte sich damit, eine Untersuchungskommission einzusetzen. Heinrich erklärte sich bereit, deren Urteil anzuerkennen. Er versuchte, Zeit zu gewinnen und gleichzeitigseine Ergebenheit gegenüber der römischen Kirche zu demonstrieren.
Zu diesem Zweck begann er mit der Eroberung Irlands, die er bisher aufgeschoben hatte. Bereits 1155 hatte er dazu die Erlaubnis des damaligen Papstes Hadrian IV. (gest. 1159) eingeholt. Dieser erteilte sie unter Berufung auf die sogenannte Konstantinische Schenkung, nach der Kaiser Konstantin der Große (gest. 337), als er seine Residenz von Rom nach Konstantinopel verlegte, den römischen Bischöfen die Herrschaft über die westliche Hälfte des alten Römerreichs überlassen hatte. Dass Irland nie unter römischer Herrschaft gestanden hatte und Konstantins Schenkung eine Fälschung war, störte niemanden. Der Papst unterstützte die englische Eroberung Irlands, weil er sich dadurch eine stärkere Anbindung der irischen Kirche an Rom erhoffte.
Erst im Frühjahr 1172 kehrte Heinrich nach der erfolgreichen Unterwerfung Irlands nach Frankreich zurück. Um die Vergebung des Papstes zu erlangen, machte der Herrscher weitgehende
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