Die Normannen
Zugeständnissen bereit. Dies gilt vor allem für die Päpste, die durch ihre Auseinandersetzungen mit den römisch-deutschen Herrschern stark in Anspruchgenommen waren. Aus diesem Grund wollten sie es sich nicht mit den Königen von Frankreich und England verderben, deren Unterstützung ihnen nützlich sein konnte.
Das 1078 von Gregor VII. verkündete Verbot der Bischofsinvestitur durch Laien traf vor allem die deutsche Königsherrschaft, zu deren wichtigsten Stützen die Bischöfe gehörten. Aber auch in anderen Monarchien hatten hohe Geistliche königlichen Besitz zu Lehen und waren wichtige Mitarbeiter der Krone. Wortführer der Forderungen nach einer Trennung von weltlichen und geistlichen Angelegenheiten waren in England die bereits erwähnten Erzbischöfe von Canterbury, Lanfranc von Pavia (gest. 1089) und Anselm von Aosta (gest. 1109), die Äbte des normannischen Klosters Le Bec gewesen waren (s.S. 24). Die Probleme begannen, als König Wilhelm II. nach dem Tod des Erzbischofs Lanfranc mehrere Jahre keinen Nachfolger wählen ließ und in dieser Zeit die Einnahmen des Erzbistums einzog. Das war zwar sein gutes Recht, aber es war ungewöhnlich, dass ein Bistum so lange ohne Oberhirten blieb. Außerdem praktizierte Wilhelm diese Verzögerung auch in anderen Fällen, so dass bald Kritik aufkam. Nach einer schweren Krankheit gelobte er 1093 Besserung und ließ endlich einen neuen Erzbischof von Canterbury wählen. Doch mit diesem, dem theologisch versierten Anselm, kam es bald zum Konflikt. Als der König finanzielle Forderungen an die Kirche stellte, die im Widerspruch zu Anselms Reformideen standen, ging der Erzbischof 1097 ins Exil.
Erst nach Wilhelms Tod kehrte Anselm auf die englische Insel zurück. Trotz anfänglicher Schwierigkeiten mit dem neuen König Heinrich I. konnte 1107 im sogenannten Londoner Konkordat eine Einigung gefunden werden. Sie orientierte sich an der kurz zuvor in Frankreich vom berühmten Kirchenjuristen Bischof Ivo von Chartres gefundenen Lösung: Der Herrscher verzichtete auf die traditionelle Einführung des Bischofs in sein geistliches Amt, die mit den symbolischen Zeichen des Bischofsrings und -stabs vorgenommen wurde; er beschränkte sich auf die Investitur in dessen weltliche Güter, wofür der Bischof ihm einen Treueid leistete. Ein ähnlicher Kompromiss wurde inDeutschland im sogenannten Konkordat von Worms (1122) festgehalten. Im Unterschied zu Frankreich fand in England die Wahl des Bischofs durch die Kleriker des Domkapitels allerdings im Beisein eines königlichen Vertreters am Königshof statt. Der englische König konnte die Wahl also weiterhin beeinflussen.
Heinrich I. hatte einige Wochen nach dem Antritt seiner Herrschaft Edith, eine Tochter des Königs Malcolm von Schottland, geheiratet. Sie stammte über ihre Mutter Margarete vom angelsächsischen Herrscher Ethelred II. ab (s. Tafel S. 26) und nahm bei der Hochzeit den normannischen Namen Mathilde an. Durch diese Heirat unterstrich Heinrich I. die Kontinuität mit den vorangegangenen angelsächsischen Königen. Gleichzeitig bemühte er sich, die unterschiedlichen Rechtstraditionen der Angelsachsen und Normannen anzugleichen. Ferner stützte sich Heinrich auf soziale Aufsteiger im Adel, um den Hochadel zu umgehen, der ihm gefährlich werden konnte, ähnlich wie es damals in Deutschland die römisch-deutschen Kaiser taten. Der König regierte mit seinen Amtsträgern sowohl England als auch die Normandie. Bald gab es jedoch Verwaltungsfachleute, die jeweils nur auf einer Seite des Kanals tätig waren.
Während der langen Regierungszeit Heinrichs I. (1100–35) wurde die Stellung der anglo-normannischen Monarchie durch Reformen in Rechtswesen und Verwaltung gestärkt. Immer mehr wurde schriftlich geregelt: Man hat ausgerechnet, dass der Herrscher pro Jahr 4500 Urkunden ausstellte. Das ist weitaus mehr als in anderen Königreichen dieser Zeit. Am englischen Hof ließ Heinrich nach normannischem Vorbild ein
exchequer
genanntes Schatzamt einrichten. Es sollte sich zu einer Finanzbehörde entwickeln, die für ihre Zeit ungewöhnlich war; ein ähnliches Niveau erreichte nur die von arabischen Modellen beeinflusste entsprechende Behörde im «normannischen» Königreich Sizilien (s. Kap. III.3). Der Name
exchequer
stammt vom lateinischen
scaccarium
(Schachbrett): Die Sheriffs, die Verwalter des königlichen Landbesitzes, mussten ihre Einnahmen und Ausgaben auf einem schachbrettartigen Schema mit Rechenpfennigen
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