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Die Normannen

Die Normannen

Titel: Die Normannen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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kirchenpolitische und finanzielle Zugeständnisse. So erlaubte er zum Beispiel dem englischen Klerus, sich in gerichtlichen Angelegenheiten direkt an die römische Kurie zu wenden. Auch wenn der König nicht allen Versprechungen Taten folgen ließ, ermöglichte ihm die Aussöhnung mit dem Papst dennoch, in den folgenden Jahren die Kontrolle über die englische Kirche zurückzugewinnen.
    Das Problem der Nachfolge Schwieriger zu lösen waren die familiären Probleme des Herrschers, die seit längerem unter der Oberfläche schwelten. Nun kamen sie offen zum Vorschein. Wieder einmal, wie bereits zu Zeiten Wilhelms des Eroberers, ging es um die Versorgung der königlichen Prinzen (s. Tafel S. 26) und ihr Verhältnis untereinander sowie zum Vater. 1169 hatte Heinrich II. seinen gleichnamigen ältesten Sohn zu seinem Nachfolger in England, der Normandie und Anjou bestimmt, während die anderen Söhne mit eigenen Herrschaftsbereichen ausgestattet wurden: Richard mit Aquitanien, Gottfried mit der durch Heirat erlangten Bretagne; nur Johann ging zunächstleer aus (daher sein Beiname Ohneland): Erst später erhielt er den Titel «Herr von Irland» und die Grafschaft Mortain. Die drei ältesten Söhne waren mit ihren Besitzungen auf dem Festland Vasallen des Königs von Frankreich und betrachteten sich daher als gleichrangig. Gegen ihre Erwartung beteiligte ihr Vater sie nicht an der Ausübung der Herrschaft.
    Dies rief zuerst den Widerstand des 1170 zum Mitkönig gekrönten Heinrich des Jüngeren hervor, der von seinem Schwiegervater Ludwig VII. unterstützt wurde. 1173 lehnte er sich offen gegen den Vater auf. Ihm schlossen sich seine Brüder an, die von ihrer Mutter Eleonore, die in Poitiers residierte und sich von Heinrich II. getrennt hatte, dazu ermutigt wurden. Es gelang dem englischen König jedoch in den nächsten Jahren, den Aufstand niederzuschlagen und seine Herrschaft zu stabilisieren. Dabei konnte er sich auf das immer effizientere Steuer-, Verwaltungs- und Rechtswesen des Königreichs England stützen, das ihm die Ressourcen für seine kostspieligen militärischen Unternehmungen in Frankreich zur Verfügung stellte.
    Die Schwierigkeiten mit den Söhnen gingen indes weiter, so dass sich Heinrich II. im Jahre 1182 schließlich entschloss, Klarheit zu schaffen: Er unterstellte die jüngeren Söhne dem Thronfolger, den sie als Lehnsherrn anerkennen mussten. Dadurch verloren sie ihre direkte Lehnsbindung an den französischen König und somit ihre Gleichrangigkeit. Richard Löwenherz protestierte daher energisch und lehnte sich offen auf. Der Kronprinz, der immer noch nicht vom Vater an der Herrschaft beteiligt wurde, schloss sich diesem Aufstand an, der auch vom französischen König Philipp II. (1180–1223) unterstützt wurde. Lediglich der plötzliche Tod Heinrichs des Jüngeren am 11. Juni 1183 rettete den alten König. Doch als er sich weigerte, nun Richard Löwenherz als Nachfolger einzusetzen, und ihn aufforderte, Aquitanien an seinen jüngsten Bruder Johann Ohneland abzugeben, eskalierte die Lage erneut. Am Ende war Heinrich II. gezwungen, die Oberhoheit des mit Richard verbündeten Königs von Frankreich über den Festlandsbesitz anzuerkennen (1189).
    Der englische Monarch verbrachte 21 der 35 Jahre seiner Königsherrschaft, die durch eine rastlose Aktivität gekennzeichnet war, auf dem französischen Festland und insbesondere in der Normandie: «Bald in Irland, bald in England, bald in der Normandie, scheint der König von England eher zu fliegen als das Pferd oder das Schiff zu besteigen» – so soll nach Mitteilung des zeitgenössischen Chronisten Radulf von Diceto der König von Frankreich wohl eher neidisch als bewundernd gesagt haben. Die Normandie blieb zwar mit der englischen Krone verbunden, spielte aber nicht mehr die Hauptrolle, denn die anderen französischen Herrschaftsgebiete beanspruchten immer mehr Aufmerksamkeit.
    Diese Tendenz verstärkte sich unter König Richard Löwenherz (1189–99). Er fühlte sich in erster Linie als Herzog des südfranzösischen Aquitanien, wo er aufgewachsen war. Richard war von der dortigen ritterlich-höfischen Kultur geprägt, und für ihn spielte der Kreuzzug eine große Rolle. Priorität hatte die Rückeroberung Jerusalems, das 1187 in die Hand des islamischen Sultans Saladin gefallen war. Dabei konnte Richard mit der Unterstützung Kaiser Friedrich Barbarossas, König Philipps II. und anderer Fürsten rechnen. Der Kreuzzug scheiterte jedoch, und

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