Die Normannen
abrechnen. Das Ergebnis der Abrechnung wurde in Schriftrollen, sogenannten
pipe rolls
, festgehalten.
Zum ersten Mal in der europäischen Geschichte wurde die Macht des Geldes deutlich. Richard Fitz-Nigel, der Leiter des
exchequer
, brachte dies einige Jahrzehnte nach Heinrichs Tod (um 1178) auf den Punkt:
Wir wissen natürlich, dass vor allem durch Klugheit, Tapferkeit, Maß, Gerechtigkeit und andere Tugenden Königreiche regiert und Gesetze aufrecht erhalten werden, weshalb die Herrscher der Welt diese mit ihrer ganzen Kraft beherzigen müssen. Aber es gibt Gelegenheiten, bei denen durch die Macht des Geldes eine richtige und kluge Staatsführung viel schneller wirksam wird.
In England war Heinrichs Herrschaft ungefährdet. In der Normandie gab es hingegen Auseinandersetzungen mit Graf Fulco V. von Anjou, König Ludwig VI. von Frankreich (1108–37) und dem Grafen von Flandern. Bei Letzterem hatte Heinrichs Neffe Wilhelm Clito, der Sohn des abgesetzten Herzogs Robert, Zuflucht gefunden, der Ansprüche auf das Herzogtum erhob. Es gelang Heinrich 1119, diese Koalition bei Brémule zu besiegen und mit Ludwig VI. und Graf Fulco Frieden zu schließen. Zur Besiegelung des Friedens heiratete Heinrichs einziger ehelicher Sohn Wilhelm eine Tochter Fulcos, die als Mitgift die Grafschaft Maine einbrachte. Einige Jahre zuvor (1114) hatte Heinrichs einzige eheliche Tochter Mathilde den römisch-deutschen König und späteren Kaiser Heinrich V. geheiratet. Durch diese Ehebündnisse war der französische Rivale praktisch eingekreist, der Zusammenhalt des anglo-normannischen Reiches nicht mehr in Gefahr.
Die Krise Heinrich I. stand nach zwanzigjähriger Herrschaft auf dem Höhepunkt seiner Macht, als ein unvorhergesehenes Ereignis die Zukunft des Königreichs erneut in Frage stellte: Im November 1120 kam der Kronprinz bei einem Schiffsunglück ums Leben. Die Folgen waren schwerwiegend, denn die Ehe, die Heinrich kurz danach (im Januar 1121) mit Adelheid, der Tochter des Herzogs von Niederlothringen, in der Hoffnung schloss, dass aus ihr ein Sohn hervorgehen würde, blieb kinderlos.
Es stellte sich also das Problem, wer ihm auf dem Thron folgen sollte. Heinrich hatte zwar eine Reihe unehelicher Söhne, von denen er acht anerkannte (ebenso wie elf uneheliche Töchter); aber als Thronfolger zog er keinen von diesen in Betracht, auch nicht den ältesten, Robert, obwohl dieser als Graf von Gloucester über eine durchaus angesehene Stellung verfügte. Es blieb also nur seine Tochter Mathilde, die er nach dem Tod Kaiser Heinrichs V. (1125) aus Deutschland nach England zurückrief und zur Thronfolgerin erklärte. Einige Jahre später (1128) heiratete Mathilde den Grafen Gottfried V. von Anjou (s. Tafel S. 26). Dieser hatte das Erbe seines Vaters Fulco angetreten, der ins Heilige Land gezogen war und dort 1131 König von Jerusalem wurde.
Nach dem Willen Heinrichs I. sollte nach seinem Tod Mathilde regieren und deren Söhne ihr später auf dem Thron nachfolgen. Bis dahin hatte in England noch keine Frau die Krone geerbt und selbständig geherrscht. Daher war vorherzusehen, dass diese Entscheidung Widerstand hervorrufen würde. Hinzu kam, dass die Kaiserin, wie Mathilde auch nach dem Ende ihrer ersten Ehe mit dem römisch-deutschen Kaiser weiter genannt wurde, aufgrund ihrer langen Abwesenheit in England als Fremde empfunden wurde.
Die Folge war, dass nach dem Tod Heinrichs I. am 1. Dezember 1135 in der Normandie einige englische Adlige und Bischöfe sowie die Bürger von London einen Neffen des verstorbenen Königs zu seinem Nachfolger wählten. Es handelte sich um Stephan von Blois, dessen Mutter Adele eine Schwester Heinrichs I. und somit Tochter Wilhelms des Eroberers war (s. Tafel S. 26). Da nirgends schriftlich festgelegt war, wer den König von England wählen und wie die Wahl genau ablaufen sollte, war dieser Akt durchaus legal. Stephan hatte lange am Hof seines Onkels gelebt, besaß in England umfangreichen Landbesitz und war daher im Unterschied zu Mathilde mit den dortigen Verhältnissen gut vertraut. Nachdem er durch umfassende Zugeständnisse an die Kirche die rasche Anerkennung durch Papst Innozenz II. und kurz danach auch durch den englischen Episkopat und Adel erlangt hatte, wurde er am 22. Dezember 1135 in Westminster zum König gekrönt.
Der neue König konnte zwar seine Herrschaft über die Normandie durchsetzen, jedoch nicht verhindern, dass sich im Westen Englands ab 1138 eine von Heinrichs I.
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