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Die Novizin

Die Novizin

Titel: Die Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Falconer
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nun die Wahrheit sagen oder bei der Lüge bleiben? Ich sah Bernard an. Ob er etwa von dem Eichhörnchen wusste?
    »Nein.«
    »Gleichwohl hat eine der Nonnen Euch und Schwester Agnes beim Füttern eines Eichhörnchens beobachtet und dies Vater Donadieu berichtet.«
    Meine Augen wanderten zu Bernard. Er wich meinem Blick aus.
    »Sie hat diesem Eichhörnchen hin und wieder ein paar Bissen zugeworfen.«
    »In Missachtung der Regeln des Heiligen Benedikt.«
    »Das hat doch niemandem geschadet!«
    »Ihr wisst, dass die Ordensregel vertraulichen Umgang mit Tieren untersagt. Ihr sollt Eure ganze Liebe Gott schenken, wie könnt Ihr also Liebe für etwas erübrigen, das noch nicht einmal eine Seele besitzt?«
    Was hätte ich darauf erwidern sollen?
    »Die Äbtissin hat Euch Vater Donadieu gegenüber als faul und prahlerisch bezeichnet.«
    »Beschuldigt die Äbtissin mich auch der Häresie?«
    »Nein.«
    »Klagt mich der Faulheit und des Hochmuts an, und ich werde gestehen.«
    Als ich sah, wie sich Vater Subillais’ Miene verfinsterte, hätte ich mir die Zunge abbeißen mögen. Frechheit würde mir nicht weiterhelfen.
    »Erzählt mir noch einmal von dieser Vision.«
    »Am Teich sah ich eine Frau. Auf einmal verschwand sie wieder, es war beinahe so, als hätten die Felsen sie verschluckt.«
    »Ihr habt überall von der Heiligen Jungfrau geredet.«
    »Ich habe niemals behauptet, es sei die Jungfrau gewesen. Ich habe nur gesagt, dass die Erscheinung so aussah wie sie.«
    »Und Ihr seid nicht dem Pfad gefolgt, der vom Teich den Berg empor führt? Dort oben befindet sich eine Höhle.«
    Ich schüttelte den Kopf. Ich begriff den Sinn dieser Frage nicht.
    »Nun denn. Von allen Bürgern der Stadt erwählt diese Erscheinung also ausgerechnet Euch. Taucht vor Euch auf, während Ihr Beeren sammelt, und verschwindet kurz darauf ohne ein Wort? Kommt Euch das nicht merkwürdig vor?«
    »Doch, Vater, in der Tat. Ich wünschte, es wäre niemals geschehen.«
    Er seufzte und rieb sich das Bein. Er schien die Geduld mit mir verloren zu haben. »Ihr dürft nun einige Zeit über die Antworten nachdenken, die Ihr uns hier gegeben habt. Ich hoffe, Ihr findet den Kerker nach Eurem Geschmack, denn Ihr werdet eingehende Bekanntschaft mit ihm schließen.« Er nickte den Wachen zu.
    »Bringt sie weg.«
     
    *
     
    Ein Schatten fiel über mein Gesicht. Ich blickte auf. Es war Sicard. Ich brachte kein Wort heraus. Er kauerte sich neben mich, und ich schlang meine Arme um ihn. Ich wollte in ihn hineinkriechen, völlig von seinem Körper und seiner Stärke umgeben sein, ein sicheres Versteck finden.
    Lange Zeit später hatten wir endlich genug geweint. Sicard packte die Gaben aus, die er mitgebracht hatte – Hühnerfleisch und frisches Brot. Meine erste richtige Mahlzeit, seitdem ich Beausaint verlassen hatte. Hastig stopfte ich mir die Bissen in den Mund und schämte mich dessen, noch während ich kaute. Wie konnte ich nur an meinen Hunger denken, wo ich doch einem derart elenden Schicksal ins Auge sah?
    »Ich bin als Hexe und Ketzerin verleumdet worden«, sagte ich.
    »Ich weiß.«
    »Irgendjemand hat behauptet, ich hätte Kräuter verbrannt, um den Teufel zu beschwören. Und ich soll gesagt haben, es gebe so viel Leid in der Welt, dass sie genauso gut vom Teufel erschaffen sein könnte.«
    »Du musst der Häresie abschwören, um Vergebung bitten und Buße tun!«
    »Aber ich habe nichts von all dem gesagt oder getan!«
    »Das ist egal. Wenn du dich widerspenstig zeigst, werden sie dich auf dem Scheiterhaufen verbrennen.«
    »Wenn ich bloß wüsste, wer mich beschuldigt! Dann könnte ich mich verteidigen.«
    »Vielleicht gibt es ja gar keinen Verleumder, und sie haben dich wegen deiner Vision festgenommen. Womöglich stammt die Anklage von den Inquisitoren selbst, damit sie einen Grund haben, dich hier zu halten.«
    »Wenn das stimmt, und wenn ich gestehe, könnte es sein, dass ich den Rest meines Lebens in diesem Kerker verbringen muss.«
    Wieder zog Sicard mich an sich.
    »Die Wachen haben mich bis jetzt nicht zu dir gelassen, angeblich auf Befehl des Inquisitors.«
    »Was soll ich nur machen?«
    Sicard versuchte, mir über mein kurzes Haar zu streicheln, aber ich wandte mich ab. Ich fragte mich, ob er mich immer noch schön fand.
    »Ich bin auch hierher beordert worden«, erzählte er. »Einer der Mönche hat mich verhört.«
    »Welcher der beiden?«
    »Der Hochmütige. Vater Donadieu.«
    »Was wollte er von dir wissen?«
    Sicard antwortete

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