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Die Novizin

Die Novizin

Titel: Die Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Falconer
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sie bei verschimmeltem Brot und stinkendem Wasser ausreichend Muße gehabt hatte, ihr Gedächtnis zu prüfen. Wie erwartet hatte sie ihre Meinung geändert und zeigte nun eine gewisse Demut gegenüber der Kirche – gelobt sei der Herr Jesus Christus. Sie wünschte zu gestehen und wieder in die liebenden Arme von Mutter Kirche aufgenommen zu werden.
    »Wir werden Euch mit Freuden wieder in die Arme schließen«, sagte ich zu ihr und hätte dabei segnend ihren Kopf berührt, wenn es dort nicht von kleinen Tieren gewimmelt hätte. »Eure Buße könnte recht leicht ausfallen. Für die geringe Abweichung vom rechten Glauben könnten wir uns eine kurze Pilgerreise vorstellen, oder eine Zeit des Fastens. Doch womöglich sind andere nicht unserer Meinung und würden Euch lieber für eine gewisse Zeit im Kerker sehen.«
    »Ich habe Unzucht mit einem Priester getrieben. Beweist das nicht, dass ich keine Ketzerin bin?«
    »Wie das?«
    »Jeder weiß, dass die Katharer und ihresgleichen die fleischlichen Gelüste verurteilen. Wenn ich keine gute Christin wäre, hätte ich den Priester abgewiesen.«
    Sie rang mir widerwilligen Respekt ab, denn für eine ungebildete Magd beherrschte sie die Kunst der Logik ausgezeichnet.
    Ich wandte mich an Bruder Donadieu und bat ihn, vorzutreten. Er hielt ein kleines Buch in der Hand, das er der Frau zeigte. Selbstverständlich konnte sie nicht lesen und wusste nicht, dass es sich um ein ketzerisches Werk handelte, doch wie allen unwissenden Menschen jagte auch ihr allein der Anblick eines Buches Angst ein.
    »Wisst Ihr, was dies ist?«, fragte ich sie.
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Erzähl es ihr«, forderte ich meinen Ordensbruder auf.
    »Dies ist das Evangelium von Johannes dem Evangelisten, eines der so genannten gnostischen Evangelien, ein häretisches Buch, das bei den Katharern hohes Ansehen genoss.«
    Martha Fauré riss die Augen auf. Wir hätten ihr ebenso gut ein Bild des Teufels vorhalten können.
    »Wisst Ihr, wo Vater Donadieu dieses Buch gefunden hat?«
    »Nein, Vater.«
    »Er entdeckte es in einem Versteck unter dem Altar von Vater Guillaumes Kirche in Redaux. Es beweist, dass der Priester ein Ketzer war. War Euch dies bekannt?«
    Ein Tropfen Speichel rann von Martha Faurés Unterlippe und blieb auf halbem Weg zu ihrem Schoß als Faden hängen. Aus ihrer Kehle drang ein trockener, kratzender Laut.
    »Ich fürchte, dass wir Euch gegenüber keine große Nachsicht walten lassen können, da Ihr offensichtlich immer noch die Wahrheit vor uns verbergt.«
    »Ich wusste nichts von diesem Buch, das schwöre ich!«
    »Ihr habt nicht nur mit einem Priester Unzucht getrieben, sondern mit einem Ketzer. Falls Ihr uns nicht ein Zeichen Eures guten Willens und festen Glaubens gebt, werden wir wohl äußerst streng mit Euch verfahren müssen, Martha Fauré.«
    Das Weiße in ihren Augen stach im Halbdunkel der Wachstube unheimlich hervor. Sie saß in der Falle. Wir hatten sie dazu gezwungen, aufrichtig zu sein. »Na gut«, stieß sie hervor.
    »Ihr wisst also doch etwas?«
    »Ich habe gesehen, wie es geschah«, sagte sie.
    »Ihr habt die Ermordung des Priesters beobachtet?« Dies war mehr, sehr viel mehr, als ich erwartet hatte. Dennoch machte ich mich auf eine fantastische, hastig ausgedachte und leicht widerlegbare Geschichte gefasst.
    »Das ist es doch, was Ihr hören wollt, nicht wahr?«
    »Wagt es nicht, mit mir zu spielen.«
    »Wenn ich Euch berichte, was ich sah, beweist das dann nicht, dass ich eine treue Anhängerin der Kirche bin, Vater?«
    »Dies hättet Ihr bewiesen, wenn Ihr früher geredet hättet.«
    »Sobald Ihr meine Geschichte gehört habt, werdet Ihr mich verstehen, Vater. Selbst ein bedeutender Mann wie Ihr wird dann nachvollziehen können, warum ich bisher geschwiegen habe.«
    »Sagt mir einfach nur, was Ihr gesehen habt.«
    Sie ließ reuevoll den Kopf hängen, obwohl mich der Verdacht beschlich, dass sie diese Zerknirschtheit lediglich heuchelte. »Es ist wahr, ich gab dem Priester, worum er mich bat, ich schlug ihm nichts ab. Ein Mann – auch wenn er ein Priester ist – hat Bedürfnisse, die befriedigt werden müssen. Nun, natürlich nicht ein heiliger Mann wie Ihr, Vater, aber … Was ihn anging, so sorgte er stets dafür, dass es mir an nichts fehlte. Er war immer freundlich zu mir.«
    Ich fühlte, wie sich eine finstere Stimmung über mich senkte. Obgleich ich den Charakter solcher Dorfpriester genau kannte, fand ich derlei Geschichten nichtsdestotrotz

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