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Die Novizin

Die Novizin

Titel: Die Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Falconer
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Hexerei von unserer Aufgabe ablenken zu lassen – es sei denn, es lag eindeutig ein Pakt mit dem Teufel vor. Ich war allerdings der Meinung, dass jene, die ihre Kräfte dem Erzfeind verdankten, logischerweise auch Häretiker sein mussten.
    »An jenem Tag, als Ihr auf dem Mont Berenger die Madonna saht – habt Ihr da auch Kräuter gesammelt?«
    »Ich habe Pilze gesammelt.«
    »Anderen gegenüber habt Ihr behauptet, Ihr hättet nach Beeren gesucht.«
    Sie gab keine Antwort. Warum hatte sie mich angelogen?
    »Diese Frau – woher wusstet Ihr, dass es sich um die Heilige Jungfrau handelte?«
    »Ich weiß nicht, ob es die Jungfrau war, Vater. Ich habe am Teich eine Frau gesehen, das ist alles.«
    »Ihr habt der Äbtissin erzählt, die Statue der Madonna in der Kirche der Heiligen Maria Magdalena hätte sich vor Euren Augen von ihrem Sockel erhoben. Ihr habt mit dieser Geschichte vor allen Novizinnen geprahlt.«
    Wieder warf sie mir einen wutentbrannten Blick zu. Wenn es ihr möglich gewesen wäre, hätte sie mir wohl die Augen ausgekratzt. »Ich habe nicht damit geprahlt, Vater. Ich habe der Äbtissin lediglich gesagt, was mir widerfahren ist. Ich hätte es niemandem erzählen sollen.«
    »Weil es eine Lüge war?«
    »Weil mir ohnehin niemand glaubte.«
    »Nun gut. Stellen wir uns einen Moment lang vor, die Erscheinung sei echt gewesen. Hat sie zu Euch gesprochen?«
    Madeleine schüttelte den Kopf.
    »Von allen Bürgern der Stadt erwählt diese Erscheinung also ausgerechnet Euch. Taucht vor Euch auf, während Ihr Pilze sammelt, und verschwindet kurz darauf ohne ein Wort? Kommt Euch das nicht merkwürdig vor?«
    »Doch, Vater, in der Tat. Ich hoffte, Ihr könntet mir erklären, was es bedeutet.«
    Oh ja, sie war schlau. Hätte sie behauptet, eine direkte Gotteserfahrung gemacht zu haben, also zum Beispiel seine Stimme gehört zu haben, wäre sie damit auf jeden Fall in den Ruch gekommen, eine Ketzerin zu sein, und das wusste sie genau. Trotz ihres Geschlechts und ihrer jungen Jahre war sie gerissen. Wir würden ihren Geist mäßigen müssen, wenn wir sie retten wollten.
    »Vielleicht war das, was Ihr gesehen habt, eine Dämonin, die sich aus ihrem Grab erhob, um Euch als ihre Botin in die Stadt zu schicken.«
    »Ich stelle keine Behauptungen über sie auf, Vater, ich sage nur, dass sie mich anlächelte und wie keiner der Teufel aussah, von denen ich bisher gehört habe.«
    »Der Teufel verfügt über viele verschiedene Masken, von denen nicht alle abstoßend sind. Oftmals nimmt er die Gestalt einer Frau an, häufig sogar die einer recht anmutigen Frau.«
    Madeleine zuckte zusammen, was mich nicht wunderte. Ich glaube, sie begriff, dass ich ihre Heuchelei durchschaute.
    »Womöglich benötigt Ihr einige Zeit, um über die Antworten nachzudenken, die Ihr uns heute hier gegeben habt. Ich hoffe, Ihr findet den Kerker nach Eurem Geschmack, denn Ihr werdet eingehende Bekanntschaft mit ihm schließen. – Bringt sie weg.«
    Madeleine wurde aus der Wachstube geführt. Ich wandte mich meinem Vikar zu, um seine Meinung zu hören. Er hatte während der Befragung kaum ein Wort verloren und benahm sich äußerst seltsam. Zudem schien er meinen Blick absichtlich zu meiden.
    Seine Zurückhaltung in diesem Fall und im Fall von Agnes Roiand beunruhigte mich. Ich hatte den Eindruck, dass sein Geist nicht widerstandsfähig genug war, um die Aufgaben der Heiligen Inquisition wahrzunehmen. Seine Gelehrsamkeit stand außer Frage, doch es war weniger seine Verstandeskraft, die mir Sorge bereitete, als vielmehr die Art und Weise, wie er sie einsetzte.
    Aber vielleicht würde sich das noch ändern. Wenn er erst einmal begriffen hatte, dass es nicht um den geistigen Wettstreit zwischen ihm selbst und einem Häretiker ging, sondern dass er Teil eines größeren Kampfes zwischen Gott und Luzifer war, würden sich seine inneren Konflikte von selbst lösen. Ich würde ihm zeigen müssen, dass er keine Bedenken hinsichtlich der Methoden zu haben brauchte, mit denen er den Sieg errang, und dass die Sünde beim Sünder lag, nicht bei ihm. Wir kämpften um einen wertvollen Preis – um die menschliche Seele. Ich würde aus Bernard schon noch einen guten Inquisitor auf den Spuren ketzerischer Verderbtheit machen.

MADELEINE
    Dieser Vater Subillais war überhaupt nicht so, wie ich ihn mir vorgestellt hatte. Seine Augen waren grau und wässrig und er wirkte erschöpft, wie von Sorgen gezeichnet. Er trug einen ordentlich gestutzten braun-grauen Bart, war

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