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Die Novizin

Die Novizin

Titel: Die Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Falconer
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Seite des Registers um.
    Maurand rutschte unbehaglich hin und her. Er war es nicht gewohnt, dass für sein fleischiges Hinterteil nur ein schmaler Schemel zur Verfügung stand und dass sein Ruf und seine Person einer genauen Prüfung unterzogen wurden.
    Durch das offene Fenster drangen die Geräusche des Burgalltags herein und schienen unseren Gast aus der Ruhe zu bringen. Sein Blick schoss angespannt zwischen den Schlagläden und seinen Richtern hin und her. Wir hörten nicht nur das raue Geschrei der Knappen auf dem Turnierplatz, sondern waren uns ebenfalls der Gerüche bewusst – der Duft des Brotes aus der Küche und der Duft des Lavendels, den man in der großen Halle verbrannte, um den Gestank zu vertreiben.
    »In welchem Alter habt Ihr Carcassonne verlassen?«, fragte ich Maurand unvermittelt.
    Er runzelte die Stirn, da er den Sinn dieser Fragen nicht verstand. Schweißtropfen sammelten sich auf seiner Oberlippe wie Tau. »Ich war noch ein Junge, Vater.«
    »Wohin seid Ihr gegangen?«
    »Nach Paris.«
    »Nach Paris, wo Euer Vater mit Wolle und Olivenöl handelte. Und in diesem Gewerbe habt auch Ihr Euren Reichtum angehäuft, bevor Ihr nach Toulouse heimkehrtet. Das habt Ihr zumindest überall erzählt.«
    »So ist es auch gewesen.«
    Seine Zuversicht war verschwunden, hatte sich in der heißen Sonne meiner Untersuchung aufgelöst wie Nebel. Wie ich es erwartet hatte. »Ihr seid als vermögender Mann in den Süden zurückgekommen.«
    »Und als treuer Diener der Kirche. Ich habe für die Instandsetzung der Kirche von Saint-Ybars dreihundert Livres tournois gestiftet.«
    Ich faltete meine Hände vor der Brust. An diesem kalten Morgen schmerzte mein Bein besonders heftig, sodass ich den Moment nicht so auskosten konnte, wie ich es mir gewünscht hätte. »Euch ist natürlich bekannt, dass Euer Vater ein Ketzer war?«
    Ich sah seinen Kiefer herunterklappen und richtete meinen Blick wieder auf das Register, das vor mir lag. Selbstverständlich handelte es sich um eine Abschrift, die Kopie eines der frühesten Register im Besitz der Heiligen Inquisition in Toulouse, das aus dem Jahre des Herrn zwölfhundertdreiunddreißig stammte.
    »Die Aussage wurde in Carcassonne aufgenommen. Ein gewisser Guillaume Maurand gestand, fünf Jahre zuvor einen Parfait in seinem Haus empfangen zu haben. Seine Nachbarn hatten dies bezeugt. Er gab zu, ein Empfänger zu sein, und erhielt als Buße die Auflage, sieben Jahre lang ein gelbes Kreuz auf seiner Kleidung zu tragen sowie an siebzehn heilige Stätten zu pilgern. Ein Jahr darauf wurde er in absentid beschuldigt, seine Buße nicht ordnungsgemäß durchgeführt zu haben. Danach blieb er verschwunden.«
    Ich könnte behaupten, dass Maurand erbleichte, doch diese Bezeichnung würde seinem Aussehen in jenem Moment bei weitem nicht gerecht werden. Innerhalb weniger Augenblicke nahm sein Gesicht eine Farbe an, als würde er seit Monaten an einer qualvollen Krankheit leiden.
    »Das war Euch nicht bekannt?«
    Maurand vergaß sich und schrie: »Natürlich nicht!«
    »Natürlich.«
    Er fragte sich offenbar, wie ich davon wissen konnte. Im Priorat in Toulouse gibt es Tausende solcher Register, es war keine geringe Leistung, darin einen bestimmten Namen aufzuspüren. Maurand hatte aber den Fleiß eines Inquisitors unterschätzt, den Fleiß, durch den wir den Süden unseres Landes für unseren Herrn Jesus Christus zurückgewonnen hatten.
    »Wo liegt Euer Vater begraben?«
    Maurand starrte mich mit weit aufgerissenen Augen an und wimmerte: »Nein … Bitte …«
    »Wo liegt er begraben?«, beharrte ich.
    »In Toulouse.«
    »Er verpestet also die geweihte Erde eines Kirchhofs in Toulouse? Ist es das, was Ihr mir damit sagen wollt?«
    Maurand antwortete nicht, aber das hatte ich auch nicht erwartet.
    »Aimery Maurand, erinnert Ihr Euch an den häretischen Priester, der in das Haus Eures Vaters kam?«
    »Nein.« Er wirkte benommen.
    »Empfing Euer Vater viele Besucher?«
    »Selbstverständlich! Er war Kaufmann. Wir hatten immerzu Gäste im Haus.« Er klammerte sich an diesen Strohhalm.
    »Ich verstehe. Und wie solltet Ihr Euch diesen Gästen gegenüber benehmen?«
    »Wir Kinder wurden stets fortgeschickt.«
    »Ich meine, als Ihr älter wart. Wurden da die üblichen Umgangsformen von Euch erwartet?«
    Maurand nickte, ohne zu ahnen, worauf ich hinauswollte. Er war immer noch verwirrt darüber, dass ich seinen Vater angeprangert hatte.
    »Ihr machtet vor Fremden eine Verbeugung?«
    Ein verwundertes

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