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Die Novizin

Die Novizin

Titel: Die Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Falconer
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abgeholt und beinahe den ganzen Tag lang von den Inquisitoren verhört. Ich fragte mich, was sie ihnen erzählte. Seitdem wir das Kloster verlassen hatten, war es mit ihr immer weiter bergab gegangen. Entweder saß sie sabbernd und teilnahmslos auf dem Boden oder tobte und schlug um sich. Einstmals war sie damit zufrieden gewesen, Knoblauch zu zählen und Buch über die Getreidesäcke zu führen. Die Klosterregeln und das Schweigen hatten ihre Welt bestimmt. Doch inmitten dieser Gruppe ängstlicher Gefangener, wo sich ihr wirrer Geist nur mit sich selbst beschäftigen konnte, hatten ihre Dämonen vollständig Besitz von ihr ergriffen.
    Sicard bestach die Wärter und wurde noch einmal zu mir gelassen. Er brachte mir wieder etwas zu essen und Neuigkeiten über die Untersuchung, die sich inzwischen auf die gesamte Stadt ausgeweitet hatte. Durch ihn erfuhr ich auch von der Ermordung des Priesters. Sicard sagte, alle Einwohner hätten trotz ihrer Furcht vor der Inquisition geschworen, den beiden Mönchen gegenüber niemanden zu denunzieren.
    Mir war allerdings klar, dass sie alle vor den Inquisitor geschleift werden würden, falls auch nur eine einzige Person den Mund aufmachte. Dies war schon viele Male zuvor in anderen Städten geschehen.
    »Alles wird ein gutes Ende nehmen«, flüsterte Sicard.
    Ich schüttelte den Kopf. Wie sollte das möglich sein?
    »Ich werde dich hier herausholen.«
    »Wie denn?«
    »Dein Vater hat die Besitzurkunde für sein Haus an einen Geldverleiher aus Toulouse verkauft. Mit dem Geld werden wir zwei Wachposten bestechen, einen hier im Kerker und einen am Burgtor. Und wir werden Pferde kaufen, mit denen du und ich über die Berge fliehen können.«
     
    *
     
    Die Tage wurden zu Wochen. Am Gitter unseres Fensters bildeten sich Eiszapfen. Wir froren Tag und Nacht. Einer der Gefangenen, ein junger Mann, der beim Beutelschneiden auf dem Marktplatz erwischt worden war, wurde schwer krank. Im ganzen murus largus war sein rasselnder, gurgelnder Atem zu vernehmen. In der Nacht, in der er starb, war sein Körper so heiß, vom Fieber, dass wir uns um ihn scharten und an ihm wärmten, als sei er ein loderndes Feuer.
    Manchmal hörte ich Agnes nachts weinen, aber wenn ich sie trösten wollte, schlug sie nach mir und knurrte wie ein Tier.
    Dennoch vermochte ich sie nicht zu hassen.
    Eines Nachts, es muss um die Zeit der Matutin oder der Laudes gewesen sein, ertönte gespenstischer Gesang in der Zelle. Ich erkannte das Tedeum, hob den Kopf und sah Agnes im Mondlicht stehen. Sie blickte mit verzücktem Gesichtsausdruck zum Fenster hinauf. Womöglich fand sie Trost darin, den Himmel zu betrachten, wenn es schon auf der Erde keine Hoffnung für sie gab.
    Ich hoffte darauf, dass Bernard kam und mir half – doch vergebens. Er hatte mich im Stich gelassen. Wenn es mein Wille gewesen wäre, hätte ich ihn vor Vater Subillais, dem Notar und Père Michel anschwärzen können. Doch was hätte ich damit erreicht, außer mich noch größerer Verachtung und tieferem Hass auszusetzen? Die Schuld lag bei mir, nicht bei ihm.
     
    *
     
    Plötzlich und unerwartet brachte man auch Maurand in den murus largus. Zwei kräftige Söldner schleiften ihn herein und stießen ihn zu Boden, wobei er unaufhörlich fluchte und brüllte wie ein gewöhnlicher Dieb. Eine ganze Weile verschwendete er seine Kräfte damit, abwechselnd mit den Fäusten gegen die Tür zu schlagen und Bestechungsangebote zum Fenster hinaufzuschreien. Schließlich beruhigte, er sich und schien sich gerade halbwegs mit seiner schmachvollen Lage abgefunden zu haben, als er einen Riss in seinen seidenen Beinkleidern entdeckte. Daraufhin begann er sofort wieder zu toben und einen Schwall von Verwünschungen auszustoßen.
    Die Wärter beachteten ihn nicht weiter. Wäre er einer von uns gewesen, hätten sie ihn gewiss auf dieselbe Weise gezüchtigt wie die arme Agnes.
    Erst nach seinem zweiten Wutanfall bemerkte er mich und erlangte sofort einen Teil seines alten Hochmuts zurück. Er starrte mich so überrascht und gierig an, als hätte er im Dreck eine Goldmünze gefunden.
    »Madeleine de Peyrolles!«
    »Guten Tag, Monsieur Maurand.«
    »Nun, gute Tage kann man hier wohl kaum haben. Ich werde in Kürze wieder fort sein, aber Ihr … Da seht Ihr, was Ihr durch Euren Stolz erreicht habt.«
    »Das mag sein. Aber wie mir scheint ist dies nicht nur mein Schicksal.«
    »Wie ich schon sagte, ich werde schon bald wieder frei sein.«
    Ich fragte mich, wie er sich dessen so

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