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Die Novizin

Die Novizin

Titel: Die Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Falconer
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sollte während meines Besuchs offen stehen bleiben, da die angekettete und ausgehungerte Gefangene keinerlei Bedrohung darstellte. Am Fuß der Treppe hielt ich inne und blickte mich um.
    Im murus largus über mir brüllte Ganach gerade einen der Gefangenen an. Ein Säugling weinte. Jemand sang ein Lied.
    Madeleine wurde nun bereits seit drei Wochen in diesem stinkenden Verlies gefangen gehalten, während es Bruder Subillais beliebte, andere mutmaßliche Häretiker zu verhören. Er hatte mir gegenüber die Hoffnung geäußert, dass die Bedingungen im murus strictus Madeleine dazu bewegen würden, ein umfassendes Geständnis abzulegen. Sie bekam nur abgestandenes Wasser und Krusten von schimmligem Brot, und diese erbärmliche Kost hatte ihre Wirkung nicht verfehlt.
    Ich hob die Kerze. Die Form von Madeleines Wangenknochen war erschreckend deutlich zu erkennen. Ihre Handgelenke waren so dünn, dass es den Eindruck machte, als könnten sie jeden Moment zerbrechen. Ihr Gesicht wirkte durchscheinend, wie nasses Leinen. Die blauschwarzen Schatten unter ihren Augen bildeten dazu einen scharfen Kontrast.
    »Vater Donadieu! Ihr seid also doch noch gekommen«, murmelte sie.
    Es hätte mich nicht aufwühlen dürfen, sie in diesem Zustand zu sehen, aber ich gebe zu, dass ich ihren Anblick kaum ertragen konnte. Ihre Kleidung war besudelt, ihre Haut krustig vor Dreck. Ihr Haar war zwar wieder gewachsen, nun jedoch strähnig und verfilzt. Ich dachte unwillkürlich, dass niemand es gutheißen konnte, wenn Schönheit auf diese Weise zerstört wurde.
    »Madeleine! Dies muss sofort ein Ende haben!«
    »Ich wäre froh darüber, wenn es ein Ende nähme.«
    »Das hängt ganz von Euch ab.«
    »Von Vater Subillais, meint Ihr wohl. Vielleicht könntet Ihr ihn ja bitten, mir eine gebratene Hammelkeule bringen zu lassen. Und Wein vom Tisch des Bischofs.«
    »Ihr würdet gut daran tun, ihn nicht zu verspotten.«
    »Ich bin keine Ketzerin, Vater, noch habe ich jemals Ketzer gesehen, ausgenommen jene Pilger, die als Buße Kreuze auf ihren Gewändern tragen. Und ich habe hier in Saint-Ybars noch niemals jemanden ein Wort gegen die Kirche sagen hören.« Sie seufzte und wandte das Gesicht ab.
    »Ihr dürft nicht in Eurem Starrsinn verharren.«
    »Ich weiß nicht, was Vater Subillais von mir will.«
    »Die Wahrheit.«
    »Ich habe ihm die Wahrheit gesagt. Er hat sie beiseite geworfen wie einen verfaulten Apfel.«
    »Eure Unnachgiebigkeit ist Euch nicht gerade dienlich.«
    »Aber Ihr denkt, es wäre mir dienlich, Vater Subillais gegenüber eine Lüge zu wiederholen, die Ihr mir in den Mund gelegt habt?«
    Ich starrte auf die pulsierende Ader in ihrem Hals und senkte dann den Blick. Selbst während sie von Unschuld und Wahrheit sprach, konnte ich nur daran denken, wie sie mir diesen Hals einstmals zum Kuss dargeboten hatte.
    Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich war davon überzeugt gewesen, die Begierde besiegt zu haben. Madeleine allein war dafür verantwortlich, und ich verachtete sie, weil sie immer noch Macht über mich besaß.
    »Warum tut Ihr all dies?«, flüsterte sie.
    Ich musste meine Augen schließen. Sie war so stark, sogar in ihrer Hilflosigkeit …
    »Seid Ihr dafür der Heiligen Inquisition beigetreten? Habt Ihr dafür so viel Zeit über Euren Büchern verbracht?«
    »Mein einziger Wunsch ist es, Gott zu dienen«, erwiderte ich. Dies war tatsächlich mein tiefster Herzenswunsch. Zumindest glaubte ich das in jenem Augenblick.
    Sie drehte ihr Gesicht der Felswand zu.
    Es gab nichts mehr zu sagen. Ich erklomm die Stufen zum murus largus. Auf halbem Weg vermeinte ich, sie flüstern zu hören: »Bitte helft mir, Vater.« Ich hielt inne, doch als kein weiterer Laut an meine Ohren drang, nahm ich an, dass ich mir ihre flehenden Worte eingebildet haben musste.
     
    *
     
    Bruder Subillais schien am folgenden Morgen unter besonders großen Schmerzen zu leiden. Als er sich in seinem Stuhl aufzurichten versuchte, entfuhr ihm unwillkürlich ein Stöhnen. Offenbar ging jede Bewegung seines Beins mit unerträglichen Qualen einher. Ich erhob mich, um ihm zu helfen, aber er stieß mich fort. Er verachtete seine Gebrechlichkeit. Seit einer Woche vermochte er wieder mit Hilfe eines Stocks umherzuhumpeln und strengte sich dabei jeden Tag bis zur völligen Erschöpfung an. Der Fuß seines verletzten Beines war purpurrot und mit schwarzen Flecken übersät und schwoll gegen Abend regelmäßig an. Ich hatte meinem Ordensbruder empfohlen, sich mehr Ruhe zu

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