Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Novizin

Die Novizin

Titel: Die Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Falconer
Vom Netzwerk:
schüttelte den Kopf und legte eine Hand auf meine Schulter. »Es gibt zwei Bernard Donadieus. Einer ist ein Zauderer und Hurenbock. Doch den anderen ruft Gott in seinen Dienst, weil er unerschütterlich ist und Gott wahrhaft liebt.«
    Ich blickte in Bruder Subillais’ Augen und vermochte wieder zu glauben – an mich selbst und an die große Aufgabe, die dem Predigerorden übertragen worden war. Er hatte Recht. Mein Gewissen sprach mit der Stimme eines Schwächlings, der von einer Frau betört worden war. Wenn ich Gott wirklich dienen wollte, musste ich mich ändern.
    Ich ging in meine Zelle und flehte Gott um Erleuchtung an, doch er gewährte mir meine Bitte nicht.
    Ich musste mich entscheiden. Wenn man von mir verlangte, einen Menschen zu foltern, um Christus selbst vor Qualen zu bewahren – wäre ich dazu bereit? Würde ich mit meinen eigenen Händen das Rad der Streckbank drehen, wenn unserm Herrn dadurch Leid erspart würde? War ich fähig, eine solche Entscheidung zu treffen? Bruder Subillais hatte mich in diesen Konflikt gestürzt, und nun wusste ich nicht, wie ich ihn lösen sollte.
    Vielleicht stimmte ja das, was er über mich dachte. Ich wollte Gott lieben, war zu echter Hingabe jedoch nicht fähig. In meinem tiefsten Innern wusste ich allerdings, dass ich diese Hingabe auch im Verlies des Seigneurs nicht erlernen würde.
     
    *
     
    Zu viert stiegen wir die Stufen hinab, die in die Folterkammer führten – Bruder Subillais, der Notar Pons, der Henker des Seigneurs und ich. Als Geistliche durften mein Ordensbruder und ich unsere Hände nicht mit Blut beflecken, daher war es an der weltlichen Instanz, uns nicht nur die notwendigen Gerätschaften zur Verfügung zu stellen, sondern auch Männer, die fähig und willens waren, diese zu bedienen.
    Wir warteten schweigend, allein mit unseren Gedanken. Ich warf einen verstohlenen Blick auf das Gesicht des Henkers und stellte mir vor, dass wir uns womöglich beide fragten, was im Kopf des jeweils anderen vorging.
    Schließlich wurde Aimery Maurand vom Kerkermeister und einem seiner Gehilfen die Treppe hinuntergeschleift. Sein feines Beinkleid war zerrissen und dreckig. Als ich seinen Geruch wahrnahm, zuckten meine Nasenflügel. Maurand verströmte den unverwechselbaren Schweißgestank eines Menschen in Todesangst.
    Natürlich wehrte er sich, doch er war viel zu geschwächt, und die Last der Ketten drückte ihn nieder. Als er die Folterinstrumente sah, erbrach er sich in einem dünnen, bräunlichen Strahl über sein eigenes Gewand. Dann gaben seine Beine nach.
    Ganach und sein Gehilfe schleppten ihn zur Streckbank und banden ihn mit Unterstützung des Henkers fest, wobei er unaufhörlich schrille Schreie ausstieß.
    Ich wunderte mich darüber, dass Maurand nicht auf der Stelle gestand – ich hätte es getan.
    Mir ist immer noch unbegreiflich, wie die Streckbank ein Werkzeug Gottes sein kann. Sie ist eine wahrhaft Furcht erregende Vorrichtung. Ich hatte Männer von Oberarmknochen reden hören, die aus den Gelenkpfannen sprangen, von den Geräuschen, die Hüften oder Knie machten, wenn sie auseinander gezogen wurden, von Bändern und Sehnen, die mit einem Knall zerrissen, als hätte jemand eine Reitpeitsche geschwungen. Derlei Geschichten hatten mir stets einen Schauer über den Rücken gejagt. Ich fragte mich wieder einmal, warum ich so lange über meinen Büchern gesessen und gelernt hatte, die Argumente der Häretiker zu widerlegen, wenn ich mich ebenso gut in einem Schlachthaus auf meine Aufgabe hätte vorbereiten können.
    Ich räume ein, dass Schmerz vonnöten ist, um die Seele zu reinigen. Aber es bedarf besonderer Unerschrockenheit, anderen Menschen um ihrer unsterblichen Seele willen solche Qualen zuzufügen, und ich glaube nicht, dass ich diese Unerschrockenheit besitze.
    Bruder Subillais stützte sich auf seinen Stock. Seine eigenen Leiden hatten seinem Gesicht eine ungesunde graue Farbe verliehen. »Aimery Maurand, Ihr seid hierher gebracht worden, um Fragen bezüglich Eures Glaubens zu beantworten. Ist es Euer Wunsch, ein volles, umfassendes Geständnis abzulegen?«
    »Ich bin kein Ketzer!« Selbst jetzt noch, da er so tief gesunken war, wollte sich Maurand offenbar nicht mit seiner Lage abfinden und bewahrte seinen Stolz.
    »Wir werden feststellen, ob Ihr ein Häretiker seid oder nicht.«
    »Selbstverständlich bin ich kein Häretiker! Ich suche regelmäßig Huren auf! Ich esse Fleisch, ich fluche, ich spiele und gehe jeden Sonntag in die Kirche!

Weitere Kostenlose Bücher