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Die Novizin

Die Novizin

Titel: Die Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Falconer
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Macht mich das nicht zu einem guten, aufrechten Christen?«
    Ein Katharer hätte nichts von all dem getan, das stimmte. Doch es reichte nicht als Beweis, denn es gab unter den Katharern viele Credents , die sich nicht so streng an die Regeln ihres Glaubens hielten wie die Parfaits.
    »In Eurer Familie gab es Ketzer«, sagte Bruder Subillais.
    »Mein Vater war ein Narr! Wollt Ihr mich für seine Sünden verantwortlich machen?«
    »Gesteht, dass Ihr Euch vor einem Parfait verneigt habt. Eure Buße wird dann leicht ausfallen.«
    »Na schön, na schön. Das alles ist völlig unnötig. Ich gestehe.«
    Ich verspürte große Erleichterung. Die Angelegenheit war ausgestanden. Ich würde für Milde plädieren, da Maurands Vergehen nicht schwerwiegend war. Doch natürlich würde das Ansehen des Kaufmannes in der Stadt schweren Schaden nehmen …
    Bruder Subillais hatte sein Ziel erreicht. Ich zweifelte nicht daran, dass er nun befehlen würde, Maurand von der Streckbank loszubinden. Daher erstaunte es mich, ihn sagen zu hören: »Gesteht Ihr ebenfalls, dass Ihr Steine nach einem Bildnis der Madonna geworfen und behauptet habt, sie habe ein falsches Spiel mit Euch getrieben? Dass Ihr Euch höhnisch über die Kirche geäußert habt? Dass Ihr einmal einen Pfeil in den Himmel geschossen habt, der mit blutiger Spitze wieder zur Erde fiel?«
    »Was? Wer sagt solche Dinge über mich? Wer wagt es?«
    »Bestreitet Ihr die Anschuldigungen?«
    »Natürlich bestreite ich sie! Sie sind falsch!«
    Ich fasste meinen Ordensbruder am Arm. »Bruder Subillais, was hast du vor?«
    »Er ist des Ketzertums bezichtigt worden und muss dies zum Wohl seiner Seele gestehen.«
    »Aber davon weiß ich nichts!«
    Maurand hatte sich vor Angst selbst besudelt. In der Folterkammer herrschte nunmehr ein Gestank, den ich nicht ertragen konnte. Ich wandte mich ab und erbrach das wenige Brot, das ich an jenem Morgen zu mir genommen hatte. Mein Kopf schmerzte und meine Beine zitterten. Als ich mich wieder umdrehte, sah ich, dass auch der Notar leichenblass geworden war. Selbst Ganach und sein Gehilfe hatten es nicht mehr ausgehalten und die Kammer verlassen.
    Maurands Augen traten hervor, und sein Gesicht wurde so rot, als würde er an irgendetwas ersticken. Er schüttelte wieder und wieder den Kopf, zum Zeichen, dass er Bruder Subillais’ Anschuldigungen abstritt. Dann entrang sich seiner Kehle ein schriller, klagender Laut.
    Ich hatte noch nie einen Menschen mit solch panischer Angst gesehen. Oh, auf dem Marktplatz von Toulouse war ich schon Zeuge bei Hinrichtungen durch den Strang gewesen, allerdings weit weniger häufig als manch anderer, der sie für eine Volksbelustigung im Rang von Bären- oder Hahnenkämpfen hielt. Doch bei allen Hinrichtungen, die ich erlebt hatte, war der Verurteile entweder vorher bewusstlos geschlagen worden, weil er sich geweigert hatte, den Schinderkarren zu besteigen, oder man hatte ihn bereits so schwer gefoltert, dass er ohnehin nicht mehr wusste, wie ihm geschah.
    Dies war hier nicht der Fall. Maurand wusste nur zu genau, was ihn erwartete.
    Bruder Subillais nickte dem Henker zu, der daraufhin begann, die Winde zu drehen.
    Der arme Maurand brüllte wie am Spieß. Mein leerer Magen krampfte sich erneut zusammen. Ich hoffte bei Gott, dass dies ein Ende finden würde, noch ehe die Sehnen dieses bedauernswerten Mannes rissen.
    »Gesteht Eure Sünden, und die Kirche wird Euch wieder aufnehmen«, sagte Bruder Subillais.
    Maurands Kopf war purpurrot geworden, und ich hegte die unsinnige Befürchtung, dass er womöglich platzen würde. Ich trat vor und beugte mich über ihn. »Gesteht, was er Euch vorwirft, dann ist all dies sofort vorbei!«
    Doch er schüttelte den Kopf, dieser sture, einfältige Mann. Ich wusste genau, welcher Gedanke ihn sogar unter Qualen beschäftigte: Als Strafe für die Sünden, die Bruder Subillais aufgezählt hatte, würde man ihn in den Kerker werfen und seinen Besitz konfiszieren. Nur aus diesem Grund brachte er es nicht über sich, zu gestehen. Der Gedanke, seinen Reichtum zu verlieren, machte ihn tapfer.
    Oder töricht.
    »Gesteht Eure Sünden und schwört der Häresie ab, dann werdet Ihr augenblicklich losgebunden«, sagte Bruder Subillais.
    »Ich … ich habe nichts zu gestehen!«
    Der Henker betätigte erneut die Winde. Seile knarrten über Walzen, bis das Rad in der nächsten Stellung einrastete. Maurands Mund öffnete und schloss sich lautlos, wie das Maul eines an Land geschwemmten Fisches. Seine

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