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Die Novizin

Die Novizin

Titel: Die Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Falconer
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würde, und hegte daher natürlich Zweifel an dem, was Christian und ich vorhatten. Aber wir wurden von der Zeit und den Umständen dazu getrieben. Subillais war lediglich der Auslöser gewesen.
     
    *
     
    Wir hatten die Pferde zum Nordtor bringen lassen, das nur selten benutzt wurde und vom Hauptturm aus nicht zu sehen war. Wir saßen auf, bedeuteten dem Wachposten, das Tor zu öffnen, und ritten hindurch, eingehüllt in schwere Umhänge mit Kapuzen, die uns vor der eisigen Kälte schützten und unsere Identität vor jedem Menschen verbargen, der zu dieser späten Stunde noch auf sein mochte.
    Christian erwartete uns vor der Burg auf seinem riesigen Schlachtross. Er hatte eine Fackel in der Hand. Die Pferde tänzelten unruhig über den vereisten Boden und stießen dicke Atemwolken aus ihren Nüstern.
    »Wohin reiten wir?«, wollte Raymond von meinem Bruder wissen.
    Doch Christian gab seinem Ross ohne ein Wort die Sporen. Wir hatten keine andere Wahl, als ihm zu folgen.
     
    *
     
    Die Sterne funkelten wie Eissplitter auf dunklem Samt. Langsam ritten wir durch die Nacht, deren Stille nur von dem Geräusch der Hufe und Pferdegeschirre durchbrochen wurde. Mein Bruder ritt voran, Raymond und ich folgten dem Schein der Fackel. Christian trug unter seinem Templerumhang ein Kettenhemd. In den Wäldern streiften Räuber umher, und obwohl es unwahrscheinlich war, dass einer von ihnen sein Glück bei einem bewaffneten Ritter versuchen würde, fühlte er sich in dem Hemd offenbar sicherer.
    Wir ritten eine leichte Anhöhe hinauf. Ich erkannte die Ruinen der alten Kirche von Montazels. Im Mondlicht wirkten sie wie die Knochen eines riesigen toten Tieres. Als das Dorf von Simon de Montforts Schlächtern angegriffen worden war, hatten sowohl die Einwohner als auch viele Katharer in der Kirche Zuflucht gesucht. Doch die Soldaten legten Feuer an das Gotteshaus, sodass die guten Christen von Montazels gemeinsam mit den Ketzern verbrannten, genau wie in Beziers.
    Die Kirche und das Dorf waren nie wieder aufgebaut worden.
    Wir stiegen von den Pferden und schritten hinter Christian her über den Friedhof, vorbei an den geschwärzten, zerfallenen Grabmälern von Grafen und ihren Gemahlinnen.
    In den Bergen heulte ein Wolf. Ich zog den Umhang fester um meine Schultern.
    Vom Altar und Chorraum der Kirche war nichts übrig geblieben außer zwei uralten Säulen, die in den Himmel ragten. Es hieß, sie seien zu Zeiten der Westgoten erbaut worden. Christian reichte Raymond die Fackel, kniete am Fuß einer der Säulen nieder und stemmte sein Schwert in den Spalt zwischen zwei Bodenplatten. Es knirschte, dann gab der Stein nach.
    »Was soll das?«, fragte Raymond.
    »Kommt her und helft mir«, knurrte Christian. Nachdem Raymond mir die Fackel übergeben hatte, schoben er und mein Bruder gemeinsam die Platte beiseite. Ich hielt die Fackel über die entstandene Öffnung. Ungefähr ein Dutzend Stufen führte hinab in ein Gewölbe.
    Raymond machte auf der Stelle Anstalten, hinunterzugehen, aber Christian hielt ihn am Arm zurück. »Bevor Ihr hinuntersteigt, müsst Ihr bei Eurer Ehre schwören, das, was Ihr gleich dort sehen werdet, zu schützen und zu verteidigen, und zwar mit Eurem Leben.«
    »Wovon redet Ihr eigentlich? Was habt Ihr vor?«
    »Ihr müsst es schwören«, wiederholte Christian.
    »Was befindet sich da unten, das so wichtig ist?«
    »Schwört. Bei Eurer Ehre.«
    »Ich schwöre. Und nun lasst mich endlich sehen, was ihr beide für ein Geheimnis habt.«
     
    *
     
    Die Stufen waren abgetreten und stellenweise vereist. Ich rutschte aus und wäre beinahe gestürzt. Wir gelangten in eine kleine, modrig riechende Kammer. Die Decke wurde von zwei breiten Holzbalken getragen. In den Nischen, die aus dem bloßen Fels herausgehauen waren, hatte man einstmals Könige bestattet. Ihre Gebeine waren jedoch schon vor langer Zeit entfernt worden. Es war ein bedrückender Ort. Ich muss gestehen, dass der grässliche Gestank meines Bruders in jenem engen Raum noch unerträglicher wurde.
    Ich glaube, dass Raymond enttäuscht war. Vielleicht hatte er mit einem Schatz gerechnet. Als Christian aus einer der Nischen eine Gebeinurne hervorholte, seufzte mein Gemahl voller Ungeduld. Christian entnahm der Urne ein in Öltuch gewickeltes Bündel, legte es ehrfürchtig auf den Boden und begann, es zu öffnen.
    »Seht«, flüsterte er dann, erhob sich und trat zurück.
    Eine Ansammlung weißer Knochen kam zum Vorschein, kaum genug, um ein ganzes Skelett zu

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