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Die Novizin

Die Novizin

Titel: Die Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Falconer
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ein Messer in der Hand. Ich entwand es ihr und gab es einem der Wärter.«
    »Welchem?«
    »Ich erinnere mich nicht. Bitte, Vater, das alles ist nicht meine Schuld.«
    »Es ist nicht Eure Schuld, wenn jemand ein Messer in Euren Kerker zu schmuggeln vermag?«
    »Sie ist doch nur ein Weib. Ich hätte nie gedacht, dass so etwas …«
    »Ihr habt Vater Subillais erzählt, sie sei besessen.«
    »Ja, Vater, das habe ich gesagt. Besessen.«
    »War das bevor oder nachdem Ihr das Messer entdeckt hattet?«
    Der arme Mann stammelte irgendeine Antwort, die genauso wenig Sinn machte wie alles andere, was er bisher gesagt hatte. Selbstverständlich log er. Ich war kein Soldat, ich hatte noch nie zuvor eine Messerwunde gesehen, ich wusste nicht, ob Madeleines Verletzungen von einem Messer herrühren konnten. Aber Ganachs Aussagen ließen mich ernsthaft daran zweifeln.
    Ich erlaubte ihm, wieder an die Arbeit zu gehen. Mit offenkundiger Erleichterung stapfte er davon. Inzwischen war der Kerker langsam zum Leben erwacht, überall erhob sich Geschrei und Gejammer. Mein Kopf fühlte sich an, als müsse er bersten. Was war hier geschehen?
    Es drängte mich, diesem verfluchten Ort zu entfliehen, bevor uns alle der Teufel holte.

ELEONORE
    Seit der Ankunft der beiden Dominikanermönche hatte sich ein Leichentuch über die Stadt gesenkt. Es war, als würde unter uns die Pest wüten, ein jeder misstraute seinem Nachbarn und wartete in düsterer Stimmung darauf, dass der Tod auch an seine Tür klopfte. Und wir hatten noch Wochen oder gar Monate vor uns, ehe wir von ihrer Anwesenheit befreit wurden.
    Nachdem der reiche Bürger Maurand ein Geständnis abgelegt hatte, wurden bald mehr und mehr Einwohner der Stadt der Gotteslästerung oder kritischer Äußerungen über die Kirche angeklagt. Etliche erschraken nämlich darüber, was selbst einem dermaßen wohlhabenden und mächtigen Mann wie Maurand zustoßen konnte, und begannen zu fürchten, Vater Subillais könne einen allzu genauen Blick in seine Register werfen. Also lieferten sie ihm im Tausch für eine milde Strafe ihre Nachbarn aus.
    Ich war natürlich darüber unterrichtet, dass Maurand gefoltert worden war, befand mich jedoch nicht in der Position, die Methoden des Inquisitors beurteilen zu können. Mein Gatte wendete derlei Verfahren nur sehr selten an. Einmal hatte ich ihn allerdings anordnen hören, dass ein Dieb mit dem Ohr an das Rad eines Karrens genagelt und der Karren dann einen Hügel hinabgestoßen werden sollte. Aber bei dem fraglichen Mann hatte es sich ohnedies um einen Tunichtgut gehandelt, der seine Lektion verdiente.
    Maurands Unglück hatte jedoch zur Folge, dass in unserer Diözese keine einzige Familie vom Makel der Häresie verschont blieb. Angeblich besaß der Handschuhmacher eine Ziege, die das Vaterunser hersagen konnte. Der Schneider wiederum musste zusehen, wie einer seiner Verwandten aus dem Grab geholt und durch die Straßen geschleift wurde, weil er vor mehr als dreißig Jahren einen Katharer in seinem Haus versteckt hatte. Einen Bauern hatte man sagen hören, es sei gewiss der Teufel, der über die Welt herrsche, da es ringsum nur Leid gebe. Zu seiner Verteidigung sei angeführt, dass er diese Äußerung tätigte, nachdem seine Frau am Fieber und die Kinder in einem Feuer gestorben waren.
    Vater Subillais drohte den Bürgern, dass jeder, der mit jemandem verwandt war, der sich später als Häretiker herausstellte, als Verberger oder Verteidiger angeklagt werden würde. Falls es bei einem Mann oder einer Frau das kleinste Anzeichen für die Neigung zur Ketzerei gebe, müsse ihm dies berichtet werden. Er ermunterte Männer, ihre Ehefrauen zu diffamieren, und Kinder, ihre Eltern zu verleumden. Bekehrte Ketzer, Verbrecher und sogar kleine Kinder traten als Zeugen auf, obwohl ihre Aussagen an weltlichen Gerichtshöfen nicht zulässig waren.
    Eine alte Frau erinnerte sich an Einzelheiten einer Ketzerversammlung, die beinahe dreißig Jahre zurücklag, und nannte die Namen Dutzender Personen – einige von ihnen waren noch am Leben –, die angeblich daran teilgenommen hatten.
    Sybille de Peyrolles war inzwischen ebenso wie ihre Tochter angeklagt worden, ihre Nachbarn mit Zaubersprüchen belegt zu haben, die sie unfruchtbar machten oder ihre Schafe eingehen ließen.
    Vater Subillais behauptete immer wieder, sein Ziel sei Buße und nicht Bestrafung. Ich wünschte es glauben zu können.
    Ich war davon überzeugt, dass er seine Untersuchungen letztlich gegen uns richten

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