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Die Novizin

Die Novizin

Titel: Die Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Falconer
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verschloss ich mich meiner Vernunft und dem Flehen meiner Seele. Der Pfad, den ich gewählt hatte, konnte für mich zu nichts Gutem führen. Ich würde darüber nachdenken, sobald ich von dieser entsetzlichen Begierde erlöst war, sagte ich mir immer wieder. Dann würde ich frei sein und würde wieder klar denken können.
    Ich beobachtete heimlich die Familie des Steinmetzes. Bald kannte ich ihre Gewohnheiten ebenso gut wie meine eigenen. Das war nicht schwer, da es lediglich um drei Personen ging, denn Anselm hatte keine Diener. Ich stellte fest, dass er das Haus jeden Tag im Morgengrauen verließ, um an unserem Priorat zu arbeiten. Seine Frau ging jeden Morgen auf den Markt, um die Zutaten für das Abendessen zu kaufen. Von der dritten bis zur sechsten Stunde war Madeleine allein zu Haus.
    Nachdem ich das herausgefunden hatte, wusste ich, was ich zu tun hatte.
     
    *
     
    Zwei Tage vor der Sommersonnenwende machte ich mich auf den Weg. Ich kann nicht mehr sagen, was ich unterwegs sah oder hörte, denn ich war völlig in Gedanken versunken. Ich hätte dem Prior oder einem meiner Brüder auf der Straße begegnen können, ohne sie zu erkennen. Dergestalt war der Zustand meines Geistes.
    Ich fürchtete, dass jemand sehen könnte, wie ich Anselms Haus betrat, oder dass er oder seine Frau ausnahmsweise doch anwesend waren.
    Dennoch klopfte ich nicht, sondern ging direkt hinein.
    Madeleine saß in einer Ecke des Raumes an einem Spinnrad. Sie blickte erstaunt auf. Eine Zeit lang starrten wir einander schweigend an.
    »Mein Vater ist nicht zu Hause«, bemerkte sie schließlich.
    Ich hatte extra eine Rede vorbereitet, doch nun fiel mir kein einziges Wort mehr ein. Ich stand da wie ein Narr. Sie hingegen war gänzlich unbefangen.
    »Ihr könnt gern hier am Feuer auf ihn warten, wenn Ihr wollt«, sagte sie.
    Also ließ ich mich zögernd auf einem kleinen Schemel vor dem Kamin nieder. In meinem Kopf war eine gähnende Leere. Ein Gespräch mit einem jungen, ungeschulten Mädchen schien meine Fähigkeiten momentan zu übersteigen, obwohl ich normalerweise mit den gebildetsten Geistern der Universität konversierte und debattierte. Trotz all meiner Pläne wusste ich auf einmal nicht mehr, wie ich nun vorgehen sollte. Für einen Augenblick fühlte ich mich ihr sogar unterlegen, was natürlich lächerlich war.
    Wie machte man so etwas? Einer Dirne gab man eine Münze, und sie hob die Röcke hoch – so war es mir zumindest erzählt worden. Eine Gattin lehnte sich im Ehebett pflichtbewusst zurück und erwartete ihren Herrn und Meister. Gab es noch eine andere Möglichkeit? An der Universität hatten sich einige Studenten über die Frauen der Stadt unterhalten, wenn sie mich außer Hörweite wähnten. Sie hatten darüber geredet, dass einige Frauen ihnen gewisse Dinge gestatteten, andere wiederum nicht. Dies schien zwar vom Wesen des jeweiligen Mädchens abzuhängen, aber ebenso sehr vom Wesen des betreffenden Mannes und von der Kühnheit seiner Worte und Taten.
    Ich hatte derlei List noch nie angewandt und innerhalb von sechzehn Jahren gelernt, sie mit Verachtung zu betrachten. Daher traute ich meinen Ohren kaum, als ich mich selbst sagen hörte: »Madeleine de Peyrolles, ich denke Tag und Nacht an Euch. Ihr geht mir nicht mehr aus dem Sinn. Ich brenne.«
    »Ihr empfindet Zuneigung für mich?«, rief sie mit verständlicher Überraschung.
    »Habt Ihr das nicht gewusst?« Ich machte einen Schritt auf sie zu.
    »Das dürft Ihr nicht!«, sagte sie, schien jedoch eher um meinetwillen als um ihrer selbst willen beunruhigt.
    »Ich kann nichts dagegen tun.«
    »Ihr werdet Euch selbst dafür hassen.«
    Ich packte ihren Arm, vielleicht ein wenig grob, und zog sie aus ihrem Stuhl zu mir hoch. Schließlich hatte ich mein ganzes Leben im Kloster verbracht und wusste nichts davon, wie man ein Mädchen umwirbt. Jahrelang hatte ich auf harten Lagern geschlafen und mein eigenes Fleisch kasteit, um die natürlichen Reaktionen des Körpers niederzuringen, die der Feind eines jeden Mönches sind. Nun spürte ich, dass ich vor ungezügelter Begierde steif wurde und konnte an nichts anderes denken, als daran, bei ihr zu liegen. Der alte Versucher muss diesen Moment sehr genossen haben.
    Ich küsste sie so ungeschickt und drängend wie ein unschuldiger Knabe – der ich im Grunde ja auch war. Dann hörte ich sie keuchen, ob aus Furcht oder Verlangen – ich wusste es nicht, und schändlicherweise kümmerte es mich auch nicht. In jenem Augenblick war keine

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