Die Novizin
er sich wahrscheinlich sechzig Jahre lang immer dieselben Klagen über den Teufel angehört hatte.
»Wieder dieses Mädchen?«, fragte er mich.
»Ja, Vater.«
»Du hast gebetet?«
»Ich tue nichts anderes.«
Ich erzählte ihm nicht, dass ich freiwillig jede Anstrengung unternahm, um das Mädchen zu besuchen und mich ihren Reizen auszusetzen.
»Du hast mit ihr gesprochen?«
Kurzes Schweigen. »Nein, Vater.«
Er seufzte. »Du bist ein junger Mann, Bruder Bernard. Es ist nicht leicht, das Keuschheitsgelübde einzuhalten. Selbst der selige Stifter unseres Ordens, der Heilige Benedikt höchstpersönlich, war nicht immun gegen diese unreinen Gedanken. Der Teufel bahnt sich auf verschiedene Weise einen Weg in die Seele eines Mannes, aber das mächtigste seiner Werkzeuge ist die Frau.«
»Was soll ich tun?«
»Als der Heilige Benedikt ein junger Mann war, wandte er der Welt den Rücken und ging in die Wüste, um sich von den weltlichen Versuchungen zu befreien. Doch auch dort wurde er Tag und Nacht von der Erinnerung an eine Frau verfolgt, die er – genau wie du – einmal auf dem Marktplatz seiner Heimatstadt erblickt hatte. Je stärker er gegen diese Erinnerung ankämpfte, desto mehr Raum nahm sie in seinem Geiste ein, bis er an nichts anderes mehr denken konnte. Er stand kurz davor, der Versuchung zu erliegen, in die Stadt zurückzukehren und sich ihren weltlichen Vergnügungen hinzugeben, als er sich der Nähe eines Dornbusches bewusst wurde. Er zog sein Gewand aus, warf sich in den Busch und wälzte sich darin. Sein Fleisch hing in Fetzen herab, an seinem Leib gab es keine Stelle mehr, die nicht blutete und ihm keine Qualen verursachte. Aber diese heiligen Wunden erlösten ihn von den gottlosen Begierden seines Fleisches und seiner Seele.«
»Ein rabiates Heilmittel.«
»Aber es war notwendig. Möchtest du, dass ich mir nun deine Beichte anhöre?«
Ich gestand ihm mein Verlangen, doch auch nachdem er mir die Absolution erteilt und eine Buße auferlegt hatte, war ich in innerster Seele nicht gereinigt, denn ich hatte ihm nicht alles gesagt. Es ging nicht darum, dass ich auf der Straße einen flüchtigen Blick auf eine Frau geworfen hatte, wie es beim Heiligen Benedikt der Fall gewesen war. Ich war dieser Frau nachgelaufen und hatte dabei außerdem ihren Vater getäuscht.
Und mir war selbst zu jenem Zeitpunkt klar, dass ich für einen Augenblick in ihren Armen bereitwillig meine Begabungen, meine Zukunft innerhalb des Ordens und sogar meine unsterbliche Seele weggeworfen hätte.
*
In jener Nacht befolgte ich den Rat des Abts. Ich zog mein Habit aus und versuchte, mit einer Peitsche die gottlosen Flammen, die in mir brannten, zu ersticken. Die Riemen der Geißel endeten in eisernen Spitzen und waren daher auch ohne großen Kraftaufwand sehr wirkungsvoll. Ich peitschte mich, bis das Blut in Strömen von meinem Rücken rann und auf den kalten Steinboden meiner Zelle tropfte, bis Tränen des Schmerzes mein Gesicht nässten, und mein Körper verkrampft zusammenzuckte, sobald die Geißel meine Haut berührte.
Doch als ich schließlich erschöpft auf den kühlen Stein sank, musste ich sofort wieder an Madeleine de Peyrolles denken. Ich stellte mir vor, wie ihre Lippen sanft meine Stirn berührten und mir tröstende Worte zuflüsterten. Ich fühlte die Wärme ihres Atems auf meinem Gesicht und wusste in dem Augenblick, dass der Teufel gesiegt hatte.
*
Ich nahm meine Pflichten im Priorat wieder auf und stellte nach außen hin einen gewissen Gleichmut zur Schau, so als sei ich heil an Leib und Seele. Dabei hortete ich meine Erinnerungen an Madeleine de Peyrolles wie ein Bürger sein Gold und Silber. Ich betrachtete sie eine nach der anderen von allen Seiten, gierig und heimlich, während ich eigentlich über meine unsterbliche Seele hätte nachdenken sollen. Ich rief mir meine Besuche ins Gedächtnis, jeden ihrer Blicke, jedes freundliche Wort, das sie gesagt hatte. Ich zählte sie einmal, dann noch einmal, wie ein Geizhals, der Zuneigung hortet, wie ein Sammler, der eingebildete Liebesgeschichten zusammenträgt.
Meine Zerstreutheit gab bald Anlass zu Beschwerden. Meine Mitmönche klagten über meine Nachlässigkeit während der Versammlungen im Kapitelsaal, und meine Schüler über weitschweifige und schlecht vorbereitete Vorträge. Ich erledigte meine täglichen Pflichten, die Gebete und die Meditation, ohne wirklich bei der Sache zu sein.
Ich wusste, was ich zu tun hatte, und dafür
Weitere Kostenlose Bücher