Die Novizin
Zärtlichkeit in mir. Wie jeder andere Sünder war ich nur darauf aus, die Sache hinter mich zu bringen und mir zu nehmen, was ich so dringend haben wollte. Ich fühlte mich wie ein gewöhnlicher Dieb.
Wenn ich zurückblicke, wünsche ich mir manchmal, ich hätte jeden einzelnen Moment zu schätzen gewusst, denn dies war das einzige Mal, dass ich einer Frau nahe kam. Lediglich ein paar Erinnerungsfetzen sind mir als Andenken an jene dunkle Stunde geblieben. Man sollte glauben, dass die Gestalt ihres Leibes sich für immer in mein Gedächtnis eingegraben hätte, doch mein Schuldgefühl und das Drängen meiner Lenden ließen mir keine Zeit, es auszukosten.
Ich zog sie hinunter auf den harten Fußboden und begann beinahe auf der Stelle, ihre Röcke hochzuschieben. Sie leistete keinen Widerstand, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie meine Bemühungen genoss. Sie erwiderte meine Küsse allerdings mit einer Leidenschaft, die mich erstaunte.
Warum wehrte sie sich nicht? Ich weiß es nicht. Ich hatte ihr nichts zu bieten, ich war kein wohlhabender Bürger oder adeliger Herr. Später wurde mir klar, dass die Antwort auf diese Frage in meiner Berufung lag. Ich war ein Mönch. Das Weib wurde vom Teufel auf die Erde geholt, um den Mann zu versuchen. Und hier ergab sich die Gelegenheit, für die jede Frau ein angeborenes Gespür hat. Die Gelegenheit, einen guten, stolzen Mann zu Fall zu bringen. Ihr gelang es, mich vom Pfad Gottes fortzulocken.
Mein Untergang war rasch vollendet.
Ich muss blind und taub für ihren Schmerz gewesen sein, denn ich kann mich nicht an ihren Protest erinnern. Ich entsinne mich nur ihres Haars auf meiner Wange, ihrer weichen Brust unter meiner Hand und meines Erstaunens darüber, wie schnell die Begierde sich in Bestürzung verwandelte. Es war, als würde ich am Rand eines tiefen Abgrunds stehen und spüren, wie der Höllenfürst mir einen leichten Stoß versetzte. Einen Augenblick lang verschlug es mir den Atem. Ich versuchte, mich zu beherrschen … und dann war es auch schon vorbei.
Ich schrie auf, mein Leib zitterte, und während ich kurz darauf gänzlich zu Boden sank, senkte sich eine schwarze Wolke aus erdrückender Schuld und verzehrender Schande über mich. Ich lag dort, rang nach Luft und war mir bewusst, dass ich im Moment des Ergusses eine unverzeihliche Sünde begangen hatte.
Ich spürte Schweiß und Samen auf meinem Körper erkalten und wurde von einer rabenschwarzen Furcht erfasst, die meine Eingeweide und meine Seele umklammert hielt wie ein Schraubstock. Ich war krank vor Ekel angesichts dessen, was ich getan hatte. Hastig stand ich auf, zog mein Habit an und verließ dieses Haus, ohne mich noch einmal umzublicken.
Wenigstens ist es mir gelungen, sie davon zu überzeugen, dass ein Leben im Kloster nicht ihre Bestimmung ist, dachte ich.
MADELEINE
Eines Tages war ich allein zu Haus, da trat er plötzlich ohne anzuklopfen von der Straße herein. Sein Gesicht war außerordentlich blass. Er wirkte, als käme er geradewegs von einer Hinrichtung. Seine Augen glänzten fiebrig, sodass ich den Eindruck bekam, er sei womöglich krank.
Ich lud ihn ein, sich ans Feuer zu setzen. Er sagte kein Wort. Während er dort hockte, in die brennenden Scheite starrte und ruhelos mit allen Gliedmaßen zappelte, beobachtete ich ihn aus den Augenwinkeln. Schließlich sprang er mit überraschender Heftigkeit von seinem Schemel auf und stieß hervor: »Madeleine de Peyrolles, ich denke Tag und Nacht an Euch. Ihr geht mir nicht mehr aus dem Sinn.«
Ich könnte behaupten, dass ich mich gegen ihn gewehrt habe, doch dies entspräche nicht der Wahrheit. Ich tat der Sittsamkeit Genüge und ließ ihn dann gewähren. Was soll ich zu meiner Rechtfertigung vorbringen? Jeder kannte damals die Geschichte der jungen Frau aus Carcassonne, die von einem Priester verfolgt worden war. Als sie seine Annäherungsversuche zurückwies, hatte er sie wegen Verschmähung des Geschlechtsakts als Ketzerin angeprangert. Die Inquisitoren waren seiner Meinung gewesen und hatten die Frau dem Scheiterhaufen überantwortet.
Hätte er mich vielleicht ebenso behandelt?
Außerdem muss ich gestehen, dass ich ihn zu jenem Zeitpunkt liebte oder dies zumindest glaubte. Ich begrüßte also seine Annäherungsversuche. Dass ein Mann wie er ein ungebildetes Mädchen wie mich liebte, erfüllte mich mit einem gewissen Stolz. Ja, ich wollte, dass er mich liebte.
So, nun ist es heraus.
Doch diese Gewissheit bereitete mir größere
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