Die Novizin
Freude als der Akt selbst. Ich hatte so etwas noch nie zuvor getan und war enttäuscht. War das alles, wozu zwinkernde Blicke und gemurmelte Worte schließlich führten? Das brachte Männer also dazu, ihren schwer verdienten Lohn zu Huren zu tragen? Das war es, worüber Minnesänger ihr Leben lang Verse schrieben und komponierten? Es war kurz, schmerzhaft und schändlich. Und nachdem es vorbei war, rollte er sich von mir hinunter, als habe er in einem Kampf einen schwächeren Gegner besiegt und fühle sich nun schuldig, weil er diesem ungleichen Kräftemessen überhaupt zugestimmt hatte.
Aber am besten erinnere ich mich an etwas anderes.
Am meisten liebte ich ihn für die Momente am Feuer, in denen wir über Gott und unsere Menschlichkeit sprachen. Hinterher kam ich zu der Überzeugung, dass der Teufel sich in der Tat an der Unzucht erfreut, denn in eben jenem Augenblick fand die Freundschaft zwischen dem Priester und mir ihr Ende.
BERNARD
Die Stadt war noch immer dieselbe, die Welt allerdings hatte sich vollkommen verändert. Nur eine Stunde zuvor war ich als aufrechter Mensch durch diese Gassen geschritten, doch nun hatte ich das Gefühl, dass ich mit den niedersten Bettlern auf einer Stufe stand und dass der Beutelschneider, der mir aus der stinkenden Gosse einen Blick zuwarf, meine Sünde sofort erkennen konnte.
Ich wich vor einem Aussätzigen zurück, der mir auf der Straße entgegenkam und seine Warnrassel schwang. Tief in meinem Herzen wusste ich, dass er derjenige war, der durch eine Berührung mit mir befleckt worden wäre. Dann kam ich durch die Gasse der Metzger. Das Blut aus ihren Schlachthäusern rann in die Gosse und vermischte sich mit dem Schlamm und dem Müll. Hunderte von Fliegen umschwärmten dieses Festmahl.
Schließlich erreichte ich die Rue Romiguières, wo die Mönche des Klosters Saint Sernin gerade ihre heiligen Reliquien zur Schau trugen und damit Pilger anzuziehen hofften. Mir erschien dies beinahe wie ein direkter Tadel von Gott.
Danach muss ich stundenlang blindlings umhergeirrt sein. Als ich endlich zum Priorat zurückgefunden hatte, eilte ich auf der Stelle in meine Zelle und begann zu beten. Mir war klar, dass ich dem Prior beichten musste, was ich getan hatte, doch ich war dermaßen beschämt, dass ich es einfach nicht über mich brachte.
Wie sehr wünschte ich mir, diesen Tag noch einmal von vorn beginnen zu dürfen! Ich wollte nichts mehr als das ungeschehen zu machen, was passiert war. Ich hatte im Angesicht Gottes meine Seele besudelt. Wäre es möglich gewesen, meinen Geist von meinem Leib zu trennen, hätte ich mit der erstbesten Waffe Hand an mich gelegt. Ich hätte mich geschunden, als sei ich selbst mein größter und unerbittlichster Feind.
Ich begann hemmungslos zu schluchzen.
Ich konnte nicht schlafen, konnte meine Augen nicht schließen, ohne meine Sünde vor mir zu sehen. Dennoch passierte innerhalb des folgenden Tages etwas Merkwürdiges.
Ich fing an, Madeleine erneut zu begehren.
Mein Verlangen begann wie ein unablässiges Flüstern, das unter dem Hagel von Selbstvorwürfen kaum zu vernehmen war. Aber noch ehe der Tag vorüber war, ließ ich den Augenblick meines Falls mit einem gewissen Eifer in Gedanken wieder aufleben und verfluchte mein nutzloses Gedächtnis, weil es sich nicht mehr genau erinnern konnte. Ihr Bild verfolgte mich bereits, selbst während meiner Bemühungen, die Begierde auszumerzen. Ich wurde zu einem Doppelwesen aus Sünder und Heiligem, aneinandergekettet in einem Körper. Sogar als ich Gott demütig um Vergebung bat, sehnte sich ein Teil von mir danach, erneut zu sündigen.
In Schweiß gebadet und unter Tränen blieb ich in meiner Zelle, betete unablässig und täuschte Krankheit vor. Der besorgte Prior schickte mir den Infirmarius, der einen Kräutertrank und einen Aderlass verordnete. Natürlich half keines von beiden, da nicht mein Leib krank war, sondern meine Seele.
Und so schmorte ich in meinem Elend und wartete darauf, dass die Welt von meiner Schande erfuhr, denn es war klar, dass Madeleine nun, da sie mich zu Fall gebracht hatte, in der gesamten Stadt damit prahlen würde, Dirne, die sie war.
Ich wusste, dass ich etwas gegen meine schamlosen Sehnsüchte unternehmen musste, wenn ich meine Seele retten wollte. Und als sich mir dazu schließlich Mittel und Wege boten, war mein Geist bereits dermaßen geschwächt, dass er keinerlei Widerstand gegen das Heilverfahren leistete.
MADELEINE
Sie war die schönste, heiterste und
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