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Die Novizin

Die Novizin

Titel: Die Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Falconer
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widerspreche?«
    »Als würde ich das wagen!«, rief er lachend. Ich war froh darüber, dass der Bänkelsänger ihn offensichtlich aufgeheitert hatte. »Dein Vater sagt, dass du früher die Burschen der gesamten Gegend verprügelt hast.«
    Ich wurde ernst. »Damals waren die Burschen ja auch noch klein.«
    »Was also dann? Wirst du den lieben langen Tag an mir herumnörgeln wie die Frau des Schneiders und mir mit dem Karrenmacher Hörner aufsetzen?«
    »Aber natürlich! Ich beabsichtige, der schlimmste Ehedrachen der ganzen Stadt zu werden.« Ich blickte ihn an. Seine Schultern waren doppelt so breit wie die meinen. Ich fand die Vorstellung, dass er sich vor mir ducken könnte wie der Schneider vor seiner Frau, komisch und traurig zugleich. Ich fragte mich, wann wir genug Geld für die Hochzeit und ein eigenes Haus haben würden.
    »Ich habe genug von dem Gedränge«, sagte ich.
    Wir machten uns auf den Weg hinaus aus der Stadt, vorbei an der Mühle und am Haus des Webers, und wanderten die staubige Straße entlang, die durch die Hügel nach Couiza führte. Wir ließen die Rufe der Gaukler und das Geklimper der Minnesänger hinter uns.
    Zu dieser Jahreszeit säumte ein Meer von Thymian, Sauerampfer und Hahnenfuß den Wegesrand. Man vernahm allerdings kein Vogelgezwitscher, denn Grasmücken und Lerchen wurden bei Tisch hoch geschätzt, sodass nicht viele mehr da waren, die hatten singen können. Stattdessen wurde das Tal vom Summen und Zirpen der Zikaden erfüllt.
    Wir verließen die Straße und folgten einem Pfad durch die Weinberge und Olivenhaine. Da das Volk sich zum Fest in der Stadt eingefunden hatte, lagen die Felder verlassen da, und wir begegneten niemandem. Schließlich suchten wir uns ein Plätzchen im Schatten eines großen Feigenbaums und legten uns ins Gras.
    Natürlich konnten wir nie zusammen sein wie Mann und Frau. Tief in mir verspürte ich zwar den Wunsch, mich mit Sicard zu vereinigen, aber aus Gottesfurcht und Angst davor, was daraus entstehen könnte, taten wir es nicht. An jenem Vormittag jedoch, da die Sonne heiß auf uns nieder brannte und mein Leib halb wahnsinnig vor Verlangen nach meinem Liebsten war, hätte ich mich freudig hingegeben, wenn er mich bedrängt hätte. Doch Sicard, mein guter, unendlich guter Sicard, fürchtete die Sünde ebenso sehr wie ich. Als er sich in meiner Hand Erleichterung verschaffte, fühlte ich das heiße Pulsieren. Dann bedeckte er mein Gesicht mit Küssen der Dankbarkeit.
    Das musste uns genügen, bis wir Mann und Frau waren.
     
    *
     
    Am nördlichen Himmel erschien eine tintenschwarze Wolke und versprach für den Abend ein Gewitter. Dadurch würde sich die Luft ein wenig abkühlen. Unter uns schien Saint-Ybars in der heißen Sonne zu schlummern. Die Luft war drückend und einschläfernd und roch würzig nach wildem Thymian. Libellen schwirrten durch die Kornblumen. Die Berge der Pyrenäen waren im Dunst verschwunden.
    Unter den Bäumen lagen reife Feigen. Ich öffnete eine von ihnen und genoss die weiche, körnige Frucht im Inneren. Sicard hatte schläfrig seinen Kopf in meinen Schoß gelegt. Wie gern hätte ich auch den Frieden genossen, den unsere Zärtlichkeiten ihm verschafften! Mich entflammten sie jedoch nur noch mehr, sodass ich reizbar wurde und mich leer fühlte. Mit dem Erguss des Samens war für ihn alles vorüber, doch für eine Frau ist es anders. Ich war dazu geschaffen, erfüllt zu werden.
    Während ich über seine Wange strich, verspürte ich das Bedürfnis, mit ihm zu reden. Als sich seine Augen langsam schlossen, kniff ich ihn in die Seite. »Was ist denn?«, fragte er blinzelnd.
    »Nichts.« Das Summen der Insekten regte mich auf. »Ich träume davon, dass wir eines Tages, wenn wir verheiratet sind, mehr als dies tun werden«, sagte ich.
    »Wir können erst heiraten, wenn ich Frau und Kinder ernähren und ein Haus unterhalten kann.«
    »Und wann wird das sein?«
    »Sobald es mir möglich ist«, brummte er auf seine unglaublich duldsame Art.
    Natürlich wusste ich, dass er Recht hatte.
    Wäre ich vornehmeren Geblüts gewesen, hätte ich keine Wahl gehabt und wäre niemals in den Zwiespalt geraten, in dem ich mich nun befand. Und wäre mein Vater weniger freundlich und meine Mutter nicht so gütig gewesen, hätten sie mich mit Maurand verheiratet, ohne auf meinen Widerspruch Rücksicht zu nehmen. Vielleicht wäre mein Leben dann jedoch sehr viel einfacher verlaufen …
    Manchmal bedauerte ich, dass ich überhaupt Gefühle für einen der

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