Die Novizin
Mauer und wartete auf mich. Sein Blick war finster.
»Was wollte er?«, lauteten seine ersten Worte.
»Wenn du unbedingt eine solch düstere Miene machen willst, Sicard Paylaurens, dann werde ich wohl besser jemand anderen bitten, mich zum Jahrmarkt zu begleiten.«
»Ich habe gesehen, wie er dich angestarrt hat.«
»Und ich sehe, wie du mich anstarrst. Vielleicht sollte ich mir wirklich einen gefälligeren Begleiter suchen.«
»Er ist der reichste Mann der Stadt.«
»Und außerdem der langweiligste. Oder war es zumindest, wenn ich dich so ansehe … Wäre es dir möglich, ein freundlicheres Gesicht aufzusetzen, wenn wir uns treffen, oder gibt es etwas an mir, das dir missfällt?«
»Du siehst wundervoll aus«, murmelte er, endlich zur Einsicht gekommen. »Du bist die schönste Frau südlich von Toulouse.«
»Südlich von Toulouse? Dann hast du nördlich der Stadt also jemanden gefunden, der dir besser gefällt?«
Damit vermochte ich ihm ein Lächeln zu entlocken. »Du weißt genau, was ich meine.«
»Nein, das weiß ich nicht. Monsieur Maurand hat gesagt, ich sei das schönste Mädchen in ganz Frankreich. Ich denke, dass mir seine Umgangsformen ein wenig besser gefallen. Wirst du nun ein bisschen mehr Höflichkeit an den Tag legen, oder soll ich meinen Vater bitten, einen anderen Heiratskandidaten für mich aufzutreiben?«
Hätte Sicard meinen Vater nicht so gut gekannt und gewusst, dass dieser sein Versprechen ihm gegenüber niemals brechen würde, wäre er angesichts meiner Worte womöglich ernsthaft beleidigt oder gar beunruhigt gewesen. Wenn Sicard einmal verdrießlicher Stimmung war, hielt das meist eine ganze Weile an – das wusste ich aus Erfahrung. Ich hoffte, dass das Fest seine Laune bessern würde.
*
Wie an jedem Feiertag waren die Gassen und Plätze auch heute voller Menschen. An den Schlagbäumen herrschte reger Verkehr, und auf dem Marktplatz war kaum noch Raum für all die Ochsen- und Eselskarren, die in die Stadt gekommen waren. Der Geruch von Dung vermischte sich mit dem Duft von Pasteten, der Lärm von Bärenkämpfen mit den Liedern der Bänkelsänger, und an jeder Ecke konnte man den Streichen der Gaukler zusehen.
Wir blieben stehen, um einem der Spielmänner zu lauschen. Jener hatte seine Leier aus dem Beutel gezogen, fuhr nun mit einem Bogen über die Saiten und begann zu singen.
Sieh diese Rose, meine Rose, und blick mich lachend an,
in deines Lachens Klingen die Nachtigall wird singen.
Nimm du die Rose, oh Rose, da sie der Liebe Blume ist,
und durch diese Rose dein Liebster hier gefangen ist.
Es war eines jener romantischen Lieder, die vor den Kriegen gegen de Montfort an den Höfen der Seigneurs so beliebt gewesen waren. Doch der Bänkelsänger trug es mit dermaßen übertrieben leidender Miene vor, dass sich schon bald eine lachende und johlende Menge um ihn versammelte.
Er spielte weiter, diesmal sang er allerdings kein Lied, sondern hielt einen Monolog, den er mit Leierklängen begleitete.
Ich werde Galane den wahren Weg zu lieben lehren.
Wenn sie meine Lektionen befolgen, werden sie bald zahlreiche Eroberungen machen.
Wollt Ihr eine Frau, die Eurem Namen Ehre macht, so schlagt beim ersten Anzeichen für Ungehorsam einen drohenden Ton an.
Falls sie es wagt, Widerworte zu geben, sollte Eure Antwort ein Schlag auf die Nase sein.
Falls sie garstig zu Euch ist, seid garstiger noch zu ihr,
und schon bald wird sie Euch stillschweigend gehorchen.
So lange Ihr über genug Zuversicht verfügt, werdet Ihr es in der Welt weit bringen, selbst wenn Ihr nicht singen oder Eure Worte richtig aussprechen könnt.
Hofiert die hässlichsten Frauen und täuscht den schönsten gegenüber Gleichgültigkeit vor, das ist der Weg zum Erfolg.
Weh mir! Ich folge diesem Weg nicht.
Da ich eine sanfte, demütige, treue und zarte Seele bin, liebe ich die Frauen, als seien sie alle meine Schwestern.
Doch Ihr dürft nicht dasselbe tun:
Haltet Euch an meine Regeln, wenn Ihr die Qualen der Liebe fürchtet.
Die Menge lachte während des gesamten Monologs und spendete am Ende stürmischen Applaus. Dann schickte der Sänger einen Affen mit einer kleinen Mütze herum, in die die Zuschauer Münzen warfen, um ihre Anerkennung zu zeigen. Auch Sicard gab einen Denier.
»Und, glaubst du das alles?«, fragte ich ihn, während wir davonschlenderten.
»Natürlich nicht.«
»Du hast also nicht vor, mir, sobald wir vermählt sind, auf die Nase zu schlagen, wenn ich dir
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