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Die Novizin

Die Novizin

Titel: Die Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Falconer
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hätte ich alle Höflichkeit vergessen und ihn rüde anrempeln müssen.
    »Eine schöne junge Frau wie Ihr sollte bekommen, was immer sie sich wünscht. Verdient ein Steinmetz nicht genug Geld, um Euch anständig einzukleiden?«
    Mit diesen Worten hatte Maurand meinen Vater beleidigt. Wie konnte er nur in seinem samtenen Gewand und den Wollhosen vor mir stehen und es wagen, so etwas von sich zu geben? Die Art, wie er mich angrinste, gefiel mir überhaupt nicht, und ich wollte nur noch fort von ihm.
    »Was hat sie denn heute am meisten bewundert?«, wollte er von Gilles wissen. Obgleich dem Schneider das Verhalten von Maurand sicherlich nicht behagte, siegte doch sein Geschäftssinn, und er hielt die Samthaube für die Müllersfrau in die Höhe.
    »Die Dame bemerkte, dass sie eine elegante Haube wie diese zu schätzen wüsste, wenn sie die Mittel besäße, sie zu kaufen«, antwortete er.
    Maurand nahm die Haube in die Hand, betrachtete sie prüfend von allen Seiten und blickte dann mich an. »Sie würde in der Tat ausgezeichnet zu Eurer Augenfarbe passen.« Er wandte sich erneut Gilles zu und holte seinen Beutel hervor. »Und was ist Euer Preis für ein solches Stück?«
    »Nein!« Ich hatte meine Stimme erhoben, und die Vorübergehenden in der Gasse starrten mich an. Aber ich wusste, dass ich niemals in der Schuld dieses Mannes stehen durfte.
    »Nein? Die Haube gefällt Euch nicht?«
    »Aber Ihr habt doch gerade erst geschwärmt, wie schön der Samt sei«, sagte Gilles und konnte mir dabei nicht in die Augen schauen.
    »Worin besteht denn dann das Problem?« Maurands Vergnügen war offensichtlich. Er hielt die Fäden in der Hand und war darauf aus, dass ich seine Großzügigkeit bewunderte. Ich spürte, wie meine Wangen tiefrot wurden und ärgerte mich darüber. »Eine Dame, die so schön ist wie Ihr, sollte ihren Liebreiz auch so wirkungsvoll wie möglich zeigen können.«
    »Das geht nicht.«
    »Ihr müsst mir nichts zurückzahlen. Betrachtet es als das Geschenk eines Bewunderers.«
    »Das ist sehr freundlich von Euch. Aber ich kann es nicht annehmen.« Maurand war in den Werkraum getreten, und ich ergriff die Gelegenheit beim Schopfe. Ich rannte die Gasse entlang und stieß dabei aus Versehen zwei kleine Jungen, die zufällig meinen Weg kreuzten, in den Schmutz. Erst als ich den Platz erreichte, blieb ich stehen.
    Panische Angst erfüllte mich. Ich überlegte, ob ich meinem Vater von dieser Begegnung erzählen sollte, doch in meinem Herzen wusste ich, dass ich es nicht konnte. Warum sollte eine Frau sich dafür schämen, die Aufmerksamkeit eines mächtigen Mannes erregt zu haben? Das hätte ich nicht erklären können.
    Am Ende beschloss ich, so zu tun, als wäre das alles nie geschehen. Ich sagte mir, dass Maurand mich vergessen würde. Doch damit hielt ich mich selbst zum Narren. Maurand war daran gewöhnt, zu bekommen, was er wollte, und meine halbherzige Zurückweisung würde ihn nicht im Geringsten von seinen Plänen abbringen.
     
    *
     
    Unsere Kirche war sehr alt. Vor zweihundert Jahren war sie der Heiligen Maria Magdalena geweiht worden. Doch einer Legende zufolge hatte ein Merowingerkönig lange vor jener Zeit an genau dieser Stelle ein hier ansässiges Edelfräulein geheiratet. Als während der Kriege die Vasallen des Papstes aus dem Norden in unserer Gegend einmarschierten, suchte ein großer Teil der Bevölkerung in der Kirche Zuflucht. Auch einige Katharer mit ihren Anhängern waren darunter, aber bei den meisten handelte es sich um Christen. Diese Tatsache kümmerte Simon de Montforts Soldaten allerdings genauso wenig, wie es sie in Beziers gekümmert hatte. Sie durchbrachen die schweren Eichenportale mit Rammböcken und metzelten jeden nieder, den sie im Inneren fanden. Im Hauptschiff waren deshalb an einigen Stellen noch immer Blutflecken auf dem Steinboden zu sehen.
    Während der Belagerung hatten de Montforts Wurfgeschosse die Kirche schwer beschädigt, und erst jetzt wurde sie langsam wieder aufgebaut. Mein Vater zeichnete als Meistersteinmetz für die Reparaturarbeiten verantwortlich.
    Er war sehr stolz auf diesen Auftrag. Was einmal ein düsteres Kalksteingebäude gewesen war, verwandelte sich durch seine Hand allmählich in ein herrliches Bauwerk. Er wollte die Apsis vergrößern, damit eine neue Kanzel in ihr Platz fand, und diesen Teil des Baus nach beiden Seiten hin zu einem Querschiff erweitern. Somit erhielt der Grundriss der Kirche die Form eines Kreuzes.
    Die Farbe auf den

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