Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Novizin

Die Novizin

Titel: Die Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Falconer
Vom Netzwerk:
und waren stets glatt rasiert.
    Mein Bruder stank, das konnte ich selbst aus dieser Entfernung riechen. Ich kniete vor einer Statue der Heiligen Jungfrau, deren sanftmütiges Lächeln meiner Seele wohl tat. Er sank neben mir auf die Knie.
    »Ich habe Eure Botschaft erhalten. Was ist so dringend, Schwester?«
    »Das Mädchen hat die Höhle gefunden.«
    »Ich habe davon gehört. Ein unglückseliger Zufall.«
    »Sie sagt, sie habe dort die Madonna gesehen.«
    »Und Ihr glaubt ihr?«
    »Ich weiß nicht, was ich glauben soll. Aber in genau diesem Augenblick wandern Hunderte von Menschen zu einem Ort, den früher nicht einmal die Bären aufspüren konnten.«
    »Ich werde mich darum kümmern.«
    »De Montfort und all seine Soldaten haben die Grotte nie entdeckt. Wie ist es dann diesem Mädchen gelungen?«
    »Was geschehen ist, ist geschehen! Wie gesagt, ich werde mich darum kümmern. Ich habe zwei Männer bei mir. Wir werden uns unverzüglich auf den Weg machen.«
    »Was ist, wenn sie das Geheimnis kennt?«
    »Sie ist nur die Tochter eines Steinmetzes, wie sollte sie es entdeckt haben?«
    Er hatte natürlich Recht. Das Mädchen konnte schließlich nicht lesen …
    »Ihr seht blass aus«, bemerkte mein Bruder.
    »Meine Wangen werden ihre Röte wiedererlangen, wenn diese Sache erledigt ist.«
    »Das wird bald der Fall sein.« Er wirkte belustigt. »Wofür betet Ihr, Schwester?«
    »Für ein gutes Ende.«
    »Das sollten wir uns alle wünschen.« Er erhob sich. »Geht mit Gott.«
    »Geht mit Gott, Christian.«
    Die Tür fiel donnernd hinter ihm ins Schloss.

MADELEINE
    Wenn du einen Reiter auf dich zukommen siehst, springst du zur Seite, denn einen Ritter oder Seigneur kümmert es nicht, wenn sein Pferd jemanden niedertrampelt. Aber was tust du, wenn ein Ritter direkt auf dich zustürmt und du genau weißt, dass er die Absicht hat, dich zu töten?
    Ich hörte meine eigenen Schreie nicht, doch ich muss geschrien haben. Ich lief so schnell, wie meine Beine mich zu tragen vermochten. Natürlich nutzte das gar nichts, da man einem Schlachtross nicht davonlaufen kann. Mein Korb mit Beeren und Kräutern landete im Graben. Als ich einen Blick über die Schulter warf, erkannte ich das rote Kreuz auf dem weißen Gewand. Es handelte sich also um einen Templer. Mit mir war es aus! Die Tempelherren konnten tun und lassen, was ihnen beliebte, und waren niemandem Rechenschaft schuldig.
    Ich stolperte und fiel mit dem Gesicht in den Schlamm. Sofort versuchte ich, wieder aufzustehen, doch das Pferd war bereits über mir. Ich krümmte mich zusammen, schlug die Hände vors Gesicht und schrie.
    Mir war klar, dass ich im nächsten Augenblick tot sein würde.
    Aber der Templer hatte die Attacke abgebrochen und starrte aus seinem Sattel auf mich herab. Der Sattel war aus Eichenholz gefertigt und dermaßen groß, dass auf ihm ohne weiteres drei Mädchen wie ich Platz gefunden hätten. Der Ritter hatte sein Schlachtross vollkommen in der Gewalt. Wäre es sein Wille gewesen, dann hätte dieses Furcht erregende Ungetüm mich sofort zertreten, denn darauf war es abgerichtet. Von der eisernen Gebissstange in seinem Maul tropfte schaumiger Speichel auf mich herunter, und ich spürte seinen heißen Atem auf meinem Gesicht.
    »Du bist das Mädchen, das die Madonna gesehen hat«, sagte der Templer. Ich hob den Blick, brachte jedoch keinen Ton hervor. Da ich es nicht wagte, ihm direkt ins Gesicht zu schauen, richtete ich meine Augen stattdessen auf die entzündeten, roten Furunkeln, die sich durch das Scheuern seiner Lederrüstung an seinem Hals gebildet hatten. Regen troff von seinem langen Umhang und von den Handschuhen, mit denen er die Zügel hielt.
    »Mach den Mund auf, Mädchen, oder muss ich erst zur Peitsche greifen?«
    »Ja … Herr.«
    »Was hast du dort oben zu schaffen gehabt? Was hast du wirklich gesehen?«
    »Ich sah eine Frau. Ich weiß nicht, wer sie war, und ich habe nie behauptet, es sei die Madonna gewesen!«
    »Ich will wissen, was du dort oben gemacht hast.«
    »Ich habe Beeren gepflückt.«
    »Bist du in die Höhle gegangen?«
    »Nein, Herr.«
    »Lüg mich nicht an!«, brüllte er.
    »Ich habe eine Frau gesehen! Das war alles!«
    »Warum hast du überall erzählt, dass es die Madonna war?«
    »Das habe ich gar nicht, Herr! Ich weiß nicht, wer es erzählt hat, ich weiß es nicht!« Ich wurde von heftigem Schluchzen geschüttelt und konnte mich kaum noch beherrschen.
    »Bist du die Felsen hochgeklettert?«
    »Die Felsen?«
    »Zur Höhle.

Weitere Kostenlose Bücher