Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Novizin

Die Novizin

Titel: Die Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Falconer
Vom Netzwerk:
Arm und drängte mich in eine Nische zwischen zwei Häusern. Seine Knechte blieben in der Gasse stehen. Mir wurde klar, dass niemand uns beobachtete. Und selbst wenn – wer würde es wagen, einzugreifen? Ich war davon überzeugt, dass er sich mit Gewalt nehmen wollte, was er auf üblichem Wege nicht bekommen konnte. Doch es schien, als habe er lediglich vor, mir Angst einzujagen.
    »Biete ich denn einen solch abstoßenden Anblick?«
    »Nein, mein Herr«, erwiderte ich, »und wie ich Euch bereits berichtete, entsprach dies der Wahrheit. Aber weil Männer uns nur nach unserem Aussehen beurteilen, denken sie, dass wir dasselbe tun.«
    »Ihr haltet Euch wohl für unwiderstehlich schön, Madeleine de Peyrolles! Ihr seid eitel!« Diese Anschuldigung traf in keiner Weise zu. Ich wusste, dass ich hübsch war, denn man hatte es mir oft genug gesagt, und außerdem konnte ich es im Spiegel sehen. Doch meine Schönheit war keineswegs das Beste an mir. Sicard hatte dies begriffen, im Gegensatz zu Maurand. Genau deshalb liebte ich den Lehrling meines Vaters und nicht diesen vornehmen Bürger.
    »Denkt gut über Eure Entscheidung nach und darüber, was Ihr haben könntet«, zischte er mir mit heißem Atem ins Gesicht. »Ihr müsstet nie mehr im Regen zum Markt gehen. Ihr könntet Eure Diener all diese lästigen Pflichten für Euch erledigen lassen.« Nach diesen Worten schlug er mir mit großer Wucht den Korb aus der Hand, sodass die Eier, die ich gerade für unser Abendessen gekauft hatte, auf dem Kopfsteinpflaster zerbrachen und das Gemüse in der Gosse landete.
    Vielleicht war er über seinen gewalttätigen Ausbruch selbst erschrocken, denn plötzlich wurde sein Tonfall sanft und verführerisch. »Wenn Ihr meine Frau wärt, dann wäre mir für Euch keine Samthaube und kein Geschmeide zu teuer. Denkt daran, ich bin nämlich nicht nachtragend und würde Euch bereitwillig eine zweite Chance geben. Wir könnten die Abweisung als jugendlichen Leichtsinn abtun.«
    Ich fürchtete mich nicht länger vor ihm. Ich war einfach zornig darüber, dass er mich derart von oben herab behandelte. Möge Gott mir vergeben, aber wenn ich ein Messer gehabt hätte, hätte ich ihn auf der Stelle erstochen!
    »Ich würde eher ein Schwein heiraten, als mit Euch das Bett zu teilen«, fauchte ich.
    Möglicherweise war es falsch, einem Mann wie ihm so etwas an den Kopf zu werfen. Ich sollte in der folgenden Zeit sicherlich noch oft die Gelegenheit haben, meinen Wutanfall zu bedauern.
    Maurands Gesichtsausdruck veränderte sich schlagartig.
    Er schlug mich nicht, er drohte mir noch nicht einmal. Stattdessen verzog sich sein Gesicht zu einem Lächeln, und er nickte, als hätte ich ihm einen Herzenswunsch erfüllt. Dann drehte er sich um und ging davon.
    Ich sammelte das Gemüse vom Boden auf und kehrte zum Markt zurück, um neue Eier zu kaufen. Als ich endlich nach Hause kam, rügte mich meine Mutter in der Annahme, dass ich mit den Händlern geschwatzt hatte. Schweigend ließ ich ihre Schelte über mich ergehen. Ich erzählte meinem Vater nicht, wie Maurand mit mir verfahren war. Mir war klar, dass er sich mit Rachegedanken getragen und uns nur noch mehr Schwierigkeiten eingebracht hätte.
    Doch darüber hätte ich mir gar keine Gedanken machen müssen. Uns standen bereits genügend andere Probleme bevor.

ELEONORE
    Der geheime Fluss strömt durch dieses Tal, seitdem es hier Menschen gibt.
    Meine Familie kann auf eine lange Geschichte zurückblicken. In meinen Adern fließt Merowingerblut, Magierblut, denn die langhaarigen Könige, die einst über dieses Land herrschten, waren weise Zauberer. Es heißt, dass so mancher Kranke wieder gesund wurde, der lediglich den Saum ihrer Gewänder berührt hatte.
    Ihr könnt dies nicht verstehen. Ihr könnt nicht verstehen, wie es für diejenigen von uns ist, die noch die alte Sprache sprechen, die Langue d’oc. Wir haben uns nie als Vasallen der Frankenkönige betrachtet. Wir sind überfallen und misshandelt worden und müssen nun vorgeben, unsere Herren und Meister zu lieben.
    Unser Land ist regelrecht übersät mit alten und neuen Ruinen. Die Schreie der Vergewaltigten und Ermordeten hallen noch immer aus den zerbröckelnden Mauern. Hier trägt jeder Stein Narben und erinnert an jene Ereignisse.
    Im Jahre 1265 des Herrn klammerten sich die wenigen unserer Familien, die übrig geblieben waren, an ihre kümmerlichen Güter wie Ertrinkende an den Rand eines Bootes. Wir wurden schwächer und schwächer und sollten schon

Weitere Kostenlose Bücher