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Die Novizin

Die Novizin

Titel: Die Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Falconer
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die ihn in vier Teile teilten, stellten die vier Arme des Kreuzes und die vier Flüsse von Eden dar, und im Brunnen in der Mitte spiegelte das Wasser den Himmel, wie die Erde den himmlischen Frieden spiegeln sollte.
    Während ich auf diese Weise über die Vollkommenheit von Gottes Schöpfung meditierte, vermochte ich, meine Gedanken zu sammeln und zu ordnen.
    Noch eines müsst ihr begreifen: Untersuchungen von Ketzerei wurden anders durchgeführt als zivilrechtliche Verfahren. Im Falle eines Mordes oder Diebstahls wurde es beispielsweise dem Kläger überlassen, den Täter festzunehmen. Danach war er verpflichtet, vor seinem Seigneur entweder die Schuld des Angeklagten zu beweisen oder ein Bußgeld wegen Verleumdung zu zahlen. Doch wenn ein Geistlicher betroffen war oder wenn es um den Vorwurf der Ketzerei ging, wurde der Sachverhalt von einem Kirchengericht untersucht und verhandelt.
    Nach den Feldzügen gegen die Häretiker hier im Süden bestimmte der Heilige Vater höchstpersönlich einige Brüder unseres Ordens dazu, nach ketzerischen Lehren gegen den wahren Glauben zu forschen. Sie sollten die Häresie ausrotten – und das in einer Bevölkerung, die vollständig mit ihr infiziert war. Es wurde sogar vermutet, dass es hier keine einzige Familie gab, die nicht in irgendeiner Weise verderbt war.
    In den frühen Jahren bereisten unsere guten Brüder das Land rund um Toulouse und stellten in jedem einzelnen Bezirk Nachforschungen an. Doch die Menschen sind in der Tat niederträchtig. Einige unserer Inquisitoren und Ordensbrüder wurden schwer misshandelt oder gar getötet, während sie ihre heilige Pflicht erfüllten. Vor weniger als zwanzig Jahren waren zum Beispiel zwei unserer Mönche ermordet worden, weil sie unsere Register bei sich trugen.
    Seitdem wurden die Register stets im Priorat unter Verschluss gehalten, und die meisten Untersuchungen wurden hier in Toulouse in unseren bescheidenen, aber gut bewachten Räumlichkeiten in der Nähe des Château Narbonnais durchgeführt. Notare und Schriftführer im Dienst der Heiligen Inquisition unterstützten unsere Arbeit. Wenn wir in einem bestimmten Dorf oder in einer Stadt Nachforschungen betrieben, wurden die Zeugen und Verdächtigen hierher beordert, damit sie ihre Aussagen machen oder sich zu den Beschuldigungen äußern konnten. So war es üblich.
    Doch in diesem speziellen Fall hatte ich den Eindruck, dass es uns mehr nutzen würde, wenn zumindest die erste Untersuchung in Saint-Ybars selbst stattfand.
    Meine Entscheidung gründete sich natürlich auf die Berichte über die wundersamen Heilungen an jenem Tümpel, den die Einheimischen bereits den Teich der Madonna nannten. Ich wünschte solche Wunder mit eigenen Augen zu sehen – sofern es sich denn tatsächlich um Wunder handelte. Zugleich würde ich die Tochter dieses Steinmetzes überprüfen und feststellen, ob ihre beiden Mitbürger sie zu Recht beschuldigt hatten.
    Ich würde Diener benötigen, die als Wachen und Boten dienten, zudem einen Notar und einen Vikar, der mich begleitete und mir bei meinen Bemühungen zur Hand ging.
    Ich schickte nach Bruder Bernard Donadieu.

BERNARD
    Nach der Terz bestellte mich Bruder Subillais in seine Zelle, einen kahlen Steinraum mit einem Holzstuhl und einem kleinen Tisch als einzige Möbelstücke. Ein Notar in Diensten des Ordens saß am Tisch, hatte Schreibzeug und Pergamentpapier ausgebreitet und wartete darauf, mit der Arbeit beginnen zu können.
    Bruder Subillais war an jenem Morgen blass und rieb sich das rechte Knie. Obwohl er selbst nie darüber klagte, wusste ich, dass er an Rheumatismus litt.
    Wir begrüßten einander, dann sagte er mir, warum er mich hatte kommen lassen.
    »Wir haben beunruhigende Berichte aus Saint-Ybars erhalten.«
    »Geht es um die Parfaits ?«, erkundigte ich mich. In den Bergen lebten immer noch einige von ihnen. Parfaits hießen die Priester der Katharer, von denen es hier im Süden nur so gewimmelt hatte, bevor Simon de Montfort und seine Soldaten das Land für das Christentum zurückgewannen. Unserem Orden war die Aufgabe zugefallen, auch den letzten Makel dieser Ketzerei zu beseitigen, doch unsere Arbeit war noch lange nicht getan. Es hatte mich schon immer verwundert, wie hartnäckig ein Sünder an seinem Unrechten Weg festhalten kann. Der größte Teil der Parfaits – darunter auch viele Frauen – war über die Berge nach Aragon geflohen, aber bisweilen kehrte einer von ihnen zurück und versuchte, die Gedanken der

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