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Die Novizin

Die Novizin

Titel: Die Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Falconer
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sich in diesen Breiten ereigneten. Fast ein Jahrhundert lang hatte jegliche Art von grässlicher Häresie den Süden des Landes verseucht, daher fiel es mir schwer, mir hier ein echtes, reines Wunder vorzustellen. Man musste schon eher den Verdacht haben, dass Hexerei und der Teufel im Spiel waren.
    »Wir haben davon gehört.«
    »Das Mädchen, das dies erzählt hat … ich glaube, es ist …«
    »Sprecht!«
    »Ich glaube, es ist eine Hexe. Eine Hexe und eine Ketzerin!«
    »Tatsächlich? Und aus welchem Grund erhebt Ihr eine solche Anschuldigung, Almaric du Foix?«
    »Ich habe das Mädchen mit meinen eigenen Augen gesehen, Euer Exzellenz. Es hat in der Nacht Kräuter gesammelt und den Mond beschworen.«
    »In der Nacht, sagt Ihr?« Hier stimmte etwas nicht. Bei derlei Anklagen konnte immer Eifersucht oder Vergeltung eine Rolle spielen. »Und wie kommt es, dass Ihr das Mädchen des Nachts diese Dinge tun saht?«
    »Ich gebe zu, dass ich eine Zeit lang sehr von ihr angetan war, aber … aber sie wies mich ab und sagte, fleischliche Lust sei ein Werk des Teufels.«
    Almaric hob den Blick, um die Wirkung seiner Worte auf mich zu ergründen. Nun, dies war tatsächlich eine ketzerische Aussage! Da die Katharer die materielle Welt für ein Übel hielten, glaubten sie, der Beischlaf sei ebenfalls schändlich, weil er neues Leben schafft und somit noch mehr Seelen zu einem Dasein voller Elend auf der Erde verdammt. Sie sagten, dass es für einen Mann ebenso verwerflich sei, körperliche Beziehungen zu seiner Ehefrau zu unterhalten wie zu seiner Mutter.
    Falls das Mädchen wirklich solchen Überzeugungen anhing, würde es befragt werden müssen.
    »Sprecht weiter«, forderte ich den Mann auf.
    »In meiner Torheit glaubte ich, einen Nebenbuhler zu haben, und folgte ihr eines Nachts. Ich dachte, sie habe ein Stelldichein mit einem anderen Mann. Doch was ich dann sah, ließ mir das Blut in den Adern gefrieren.«
    Ich beugte mich vor. »Was habt Ihr gesehen?«
    »Sie sammelte Kräuter und grub mit bloßen Händen Wurzeln aus der Erde. Dann erhob sie ihre Arme zum Mond und stimmte ein Teufelsgebet an.«
    »Was genau sagte sie?«
    »Sie rief die Große Mutter an, die Göttin der Erde.«
    Eine erbärmliche Geschichte. Ein Mann, der von seinen unerfüllten Begierden dazu getrieben wird, der Kirche zu dienen, ist im Grunde kein Diener Gottes. Dennoch konnte ich die Beschuldigungen nicht einfach übergehen, denn vielleicht lag doch ein Körnchen Wahrheit in ihnen. Die Berichte über die wundersamen Visionen dieses Mädchens hatten mich schon länger beunruhigt, und es schien, als sei meine Sorge nicht unberechtigt. Es war also nötig, dass ein Inquisitor, der mit ketzerischer Verderbtheit vertraut war, dorthin reiste. Er sollte die Wahrheit ans Licht bringen.
    Unter dem Blick der Gerechten trat der Müller unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. Ich ließ ihn noch für eine Weile stehen und beobachtete, wie er sich wand. Dann schickte ich ihn fort. Wäre er der einzige Ankläger gewesen, hätte ich nicht eine solche Unruhe verspürt. Doch ein Karrenmacher aus derselben Stadt hatte eine ähnliche Behauptung aufgestellt.
    Ich selbst würde diesem Saint-Ybars einen Besuch abstatten müssen, um herauszufinden, was der Teufel dort ausbrütete.
     
    *
     
    Mir ist vorgeworfen worden, ich sei zu nachsichtig mit den Feinden des Lammes, und ich wünschte, dem wäre nicht so. Christus blutet jeden Tag aufs Neue für unsere Sünden, und vor allem in unseren Breiten erfährt er immer wieder Schmerz durch jene, die vor dem Kreuz und allem, was es symbolisiert, ausspucken. Jesus ermahnt uns wegen unserer Sünden und fordert uns auf, von ihnen abzulassen und ihm zu vertrauen. Ich begreife nicht, wieso dies für einige Menschen so schwer zu verstehen ist.
    Jene unter Euch, die mich seinerzeit gut kannten, werden wissen, dass ich Gewaltanwendung niemals leichtfertig guthieß. Aber ein Mensch muss für seine Sünden büßen, das ist Gottes Wille. Wenn ich von Zeit zu Zeit zum Werkzeug Gottes erwählt wurde, nahm ich diese Bürde mit Demut auf mich. Ich zog keinerlei Befriedigung aus ihr. Es ist wichtig, dass Ihr dies wisst.
    Vom Fenster des Skriptoriums aus ließen sich der Kreuzgang und der Garten überblicken, und diese Aussicht verschaffte mir ein Gefühl von Ruhe und Frieden. Der Garten selbst war ein vortreffliches Zeichen für Gottes Vollkommenheit. Das Rechteck aus Pflastersteinen, das ihn umgab, stand für die erschaffene Welt. Die zwei Wege,

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