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Die Novizin

Die Novizin

Titel: Die Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Falconer
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zerbrochen auf dem Boden. Ich schätzte, dass mindestens vier Männer nötig gewesen waren, um ihn zu bewegen, denn er bestand aus solidem Stein.
    Ein abscheulicher, unreiner Gestank drang aus dem Sarg, und ich spürte die Gegenwart eines großen Übels.
    Auf dem Deckel befand sich eine Inschrift. Bruder Subillais kauerte sich nieder, um sie genauer zu betrachten. Ich hörte, wie er scharf Atem holte, dann bekreuzigte er sich und befahl mir, zurückzutreten. Ich konnte die Inschrift jedoch auch von meinem Standort aus lesen, denn in jenen Tagen war ich noch jung und meine Sehkraft ausgezeichnet.
    Unsere Begleiter hatten es nicht gewagt, sich zu nähern, und warteten in einigen Schritten Entfernung auf uns. Der Vorgesetzte der Söldner sah mich schwanken und rief: »Geht es Euch gut, Vater?«
    »Es ist nur der Rauch von den Fackeln«, murmelte ich und lehnte mich gegen die Felswand, bis das Gefühl des Ekels nachließ.
    Bruder Subillais stand mit ausgebreiteten Armen vor dem Grabmal, als wolle er einen Flüchtling vor einer aufgebrachten Volksmenge schützen. »Wir müssen diese Stätte zerstören«, wandte er sich an Raymond.
    »Aber dafür benötigen wir schwere Hämmer und weitaus mehr Männer, Vater.«
    »Dann werden wir wohl zur Burg zurückkehren müssen, um sie zu holen«, erwiderte er. »Ihr werdet heute eine Wache an diesem Ort postieren. Bis zu unserer Rückkehr darf niemand die Höhle betreten.«
    Unter den Männern erhob sich ein Murren, denn keiner von ihnen wollte mit einer solchen Aufgabe betraut werden. Der Befehlshaber konnte sie nur schwerlich dazu überreden, eine bitterkalte Nacht auf diesem Berg zu verbringen, selbst auf Geheiß eines Inquisitors.
    »Wessen Sarg ist dies?«, fragte Raymond. »Und wie ist er hierher gelangt?«
    »Es ist verflucht«, antwortete Bruder Subillais knapp. »Wir müssen gehen.«
    »Woher wisst Ihr, dass es verflucht ist?«, wollte Raymond wissen. Er war verwirrt, und dies mit gutem Recht. Ich allerdings kannte den Grund für die Erregung meines Bruders, da ich außer ihm der Einzige unserer Gruppe war, der Hebräisch beherrschte, die Sprache der Juden. Ich hatte es neben einigen anderen Sprachen in meiner Jugend gelernt.
    »Es ist ein Heidengrab, das die Zeichen des Teufels trägt«, sagte Bruder Subillais.
    »Wer hat es geöffnet?«
    »Dies ist eine Angelegenheit der Kirche«, antwortete er ausweichend. »Wir müssen den Ort auf der Stelle verlassen.«
    Raymond machte Anstalten, ihm zu widersprechen, doch dann gab er nach. Er konnte es sich nicht leisten, das Missfallen eines Inquisitors zu erregen.
    Wir kehrten der feuchten, unheimlichen Höhle bereitwillig den Rücken. Auch ich war dankbar, dass wir endlich wieder gehen konnten, denn mein Gottvertrauen hatte mich im Stich gelassen. Für mich gab es nun keinen Zweifel mehr, dass wir gerade rechtzeitig in Saint-Ybars eingetroffen waren, um die armen Seelen, die hier lebten, vor dem Bösen zu bewahren. Nur die Mönche des Heiligen Dominik standen zwischen den Wölfen und der Herde.
    Bruder Subillais hatte das Geheimnis auch vor mir verbergen wollen, doch das war ihm nicht gelungen.
    Die Inschrift lautete:
    Jesu, Sohn des Joseph.
    Joseph, Matthäus, Judas, Söhne des Jesu.
    Maria, sein Weib.

SUBILLAIS
    Wir machten uns auf den Rückweg. Ich war sicher, dass jener Ort verflucht war. Aufgewühlt lief ich den anderen eine ganzes Stück voraus. Da überkam mich plötzlich kalte Furcht, denn ich spürte deutlich die Anwesenheit des Erzfeindes. Ich blickte mich um und erkannte, dass ich in großer Gefahr schwebte.
    Ein schwarzer Engel löste sich von der Erde und flog kreischend geradewegs auf mich zu. Er versuchte, seine Klauen in mein Gesicht zu schlagen. Ich schrie auf und wich zurück, doch ein zweiter Dämon in Gestalt einer schwarzen Katze warf sich mir in den Weg und brachte mich zu Fall.
    Der Pfad war steil und voller Geröll. Ich stürzte. Was danach geschah, weiß ich nicht mehr.
    Als ich wieder zu mir kam, lag ich am Fuße des Felsens. Eines meiner Beine war seltsam verdreht. Wie aus weiter Ferne drangen Schreie an mein Ohr. Dann wurde mir klar, dass sie aus meinem eigenen Mund kamen.
    Ich blickte nach oben. Die anderen scharten sich um mich – Bruder Donadieu, der Befehlshaber, der Seigneur. Ihre Gesichter sprachen Bände.
    Der Schmerz war unbeschreiblich und raubte mir beinahe den Verstand. Ich wusste, dass meine Begleiter mit mir und miteinander sprachen, aber ich konnte sie nicht hören. Ich schäme mich zugeben

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