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Die Novizin

Die Novizin

Titel: Die Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Falconer
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Magdalena gesehen und gewusst, dass ich früher oder später kommen würde.
    Der Steinmetz hatte sich kaum verändert. Er begegnete mir noch immer mit Ehrerbietung, trotz allem, was zwischen seiner Tochter und mir vorgefallen war. Seine beeindruckende Gestalt stand in scharfem Gegensatz zu seinem unterwürfigen Benehmen. Natürlich hatte er Angst vor mir, und in seinem Gesicht war jene Art von Furcht zu erkennen, die mir vertraut war, seitdem ich der Heiligen Inquisition angehörte.
    Ich verspürte einen Anflug von schlechtem Gewissen. Durch die schmalen Fensteröffnungen, die mit Wachstuch bespannt waren, zog es, und in der Mitte des Raumes befand sich eine offene Feuerstelle. Ich erinnerte mich an die Speckseiten, Blut- und Mettwürste, die von den Balken ihres Hauses in Toulouse gehangen hatten, und daran, wie ich meine Füße an ihrem Steinkamin gewärmt hatte.
    Anselm und Sybille blickten mich wachsam an. Gewiss fragten sie sich, ob ich ihnen in Anbetracht der Vergangenheit helfen oder sie zugrunde richten würde.
    Nachdem ich sie höflich begrüßt hatte, sagte ich: »Ich bin mittlerweile Mitglied der Inquisition. Habt Ihr irgendjemandem von unserer früheren Bekanntschaft in Toulouse erzählt?«
    »Nein, Vater.«
    »Gut. Denn falls Ihr dies tut, wird es unangenehme Folgen für Euch haben.«
    »Ja, Vater.«
    Ich holte tief Luft. »Ich bin gekommen, um Euch um Hilfe zu bitten.«
    Die beiden blinzelten überrascht.
    »Ihr werdet sicherlich zugeben, dass Ihr in meiner Schuld steht«, sagte ich und konnte an ihren Blicken erkennen, dass sie ganz und gar nicht dieser Meinung waren. Doch es entsprach Anselms Wesen, dass er keinerlei Einwände erhob. »Ja, Vater. Natürlich.«
    Ich entspannte mich ein wenig. »Gut. Ich wünsche, dass Ihr etwas für mich tut. Ihr habt gehört, was Vater Subillais zugestoßen ist?«
    »Wir haben für ihn gebetet«, behauptete Sybille.
    »Man sagte mir, dass Ihr eine Heilerin seid.«
    »Ihr wünscht, dass ich ihn aufsuche?«
    »Ich glaube nicht, dass dies klug wäre. Aber vielleicht könnt Ihr mir ein Heilmittel mitgeben.«
    Sie zögerte. Wie ich bereits sagte, brachten uns die meisten Menschen wenig Wohlwollen entgegen. »Ohne den Patienten gesehen zu haben? Das ist nicht leicht«, entgegnete sie schließlich.
    »Sein Bein ist gebrochen, er hat Fieber und große Schmerzen. Gibt es sonst noch etwas, was Ihr wissen müsst?«
    »Es wäre hilfreich, die Farbe seines Harns zu kennen.«
    »Die Farbe von Vater Subillais’ Harn ist eine Sache zwischen ihm und Gott.« Ich wusste, dass ich streng klang, doch ich war voller Ungeduld und fürchtete außerdem, an diesem Ort gesehen zu werden.
    »Ihr habt den Knochensetzer gerufen?«
    »Ja.«
    »Und Vater Arnaud plant zweifellos, das Bein abzunehmen.«
    »Genau.«
    Sybille warf ihrem Mann einen Blick zu und dachte einen Moment lang nach, was sie tun sollte. Ich konnte mir vorstellen, was ihr durch den Kopf schoss: Warum sollte ich das Leben eines Inquisitors retten? Aber am Ende siegte ihr gutes Herz. Sie ging zu einer hölzernen Truhe und entnahm ihr einen Leinenbeutel. Er verströmte einen ekelhaften Geruch.
    »Dies ist für einen Wickel, Vater. Vermischt den Inhalt mit Wasser und rührt so lange, bis eine dicke Paste entsteht. Streicht sie auf das Bein, sie wird die giftigen Säfte herausziehen.«
    »Was ist in dem Beutel?«
    »Nur Kräuter, Vater. Ysop, Wermut und Beinwell.« Sie gab mir auch noch einen Tonkrug.
    »Und darin?«
    »Ein Schlaftrunk aus Belladonna. Er wird Vater Subillais in einen todesähnlichen Schlaf versetzen. Ihr müsst vorsichtig damit umgehen, denn wenn Ihr ihm zu viel davon einflößt, wird er nie wieder aufwachen.«
    »Ich danke Euch.«
    »Gern geschehen, Vater.«
    »Ich muss nun gehen.«
    »Ihr seid am Teich gewesen?«
    »Ja, ich war dort.«
    »Habt Ihr die Madonna gesehen?«
    »Es war am Teich, wo Vater Subillais stürzte und sich das Bein brach.«
    Ihre Augen wurden groß, und das Weiße darin blitzte im verrauchten Halbschatten des Raumes auf. Früher hatten sie sich einmal Kerzen leisten können.
    Kurz darauf verließ ich sie. Die Dämmerung hatte eingesetzt, und jeder, dem sein Leben lieb war, suchte nun besser den Schutz eines Hauses auf, auch ein Mönch der Heiligen Inquisition. Vor allem ein Mönch der Heiligen Inquisition. Ich zog meine Kapuze über und eilte zurück zum Château.
    Ich hatte Anselm und Sybille nicht gesagt, dass gegen ihre Tochter der Vorwurf der Ketzerei erhoben worden war. Aber ich wusste

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