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Die Novizin

Die Novizin

Titel: Die Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Falconer
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meiner Ankunft in der Stadt vor vielen Jahren hatte einsehen dürfen und die ich vor einer Woche – vor unserer Abreise nach Saint-Ybars – erneut studiert hatte. Sie betrafen ein Mitglied der Familie Saint Ybars, einen gewissen Bertrand, der ein Jahrhundert zuvor Großmeister des Templerordens gewesen war. Er hatte in der Nähe von Redaux geheimnisvolle Grabungen vornehmen lassen, und zwar von einer Gruppe Bergmänner, die er allein für diesen Zweck aus Köln hergebracht hatte und die kein Wort der hiesigen Sprache beherrschten. Bertrand hatte behauptet, er würde nach Gold suchen, aber die Minen der Umgebung galten bereits seit den Zeiten der Römer als erschöpft. Der Bischof, von dem die Berichte stammten, stellte darin die Vermutung an, dass Bertrand einen Schatz verstecken wollte, den die Templer im Heiligen Land gefunden hatten.
    Während der Lektüre war ich auf den Gedanken gekommen, dass Bertrand vielleicht tatsächlich nach irgendetwas gesucht hatte – aber nicht nach Silber oder Gold.
    »Was ist dort oben?«, fragte ich Raymond.
    »Ich weiß es nicht.«
    »Ihr wart noch nie dort?«
    »Es ist bestimmt nur eine Höhle wie hundert andere in dieser Gegend. Überall liegt Geröll herum, es ist gefährlich, hinaufzusteigen. Da oben ist bestimmt nichts Besonderes.«
    »Davon möchte ich mich selbst überzeugen.«
    »Vater Subillais, bitte! Wartet hier, ich werde einen meiner Männer hinaufschicken.«
    Ich ignorierte ihn. Der Seigneur mochte Recht haben, dass mein Vorhaben nicht gerade von großer Weisheit zeugte, aber ich spürte, dass die Hand Gottes mich führte.
    Mir schien, dass es einmal einen Pfad zur Höhle hinauf gegeben haben musste, und ich folgte ihm, so gut es ging. Der Aufstieg dauerte zwar nicht lange, aber er war sehr anstrengend. Schließlich erreichte ich den Eingang der Höhle. Aus dem finsteren Inneren strömte feuchte, faulig riechende Luft.
    Die Öffnung war zweifellos von der Natur geschaffen, doch als ich genauer hinsah, erkannte ich, dass sie von Menschenhand erweitert worden war. Abgeschlagene Felsstücke lagen verstreut auf dem Boden.
    Der Seigneur und Bruder Donadieu waren mir keuchend gefolgt, und auch die Männer der Eskorte.
    »Kennt Ihr diesen Ort wirklich nicht?«, wollte ich von Raymond wissen.
    »Nein, Vater. Ich bin noch nie hier gewesen.«
    Aus dem Inneren drang das Geräusch von tropfendem Wasser. Ohne Licht würden wir nicht sehr weit kommen. Das bedeutete, dass wir nach Saint-Ybars zurückkehren mussten, um uns mit Fackeln und Feuersteinen zu versorgen. Da der Tag bereits weit fortgeschritten war, würden wir am folgenden Morgen noch einmal hierher reiten müssen. Raymond, die Eskorte und mein Begleiter mochten zwar murren, doch letzten Endes würden sie tun, was ich sagte. Mein Knie brannte bereits wie Feuer, aber ich musste den Schmerz aushalten, und ich würde ihn auch aushalten – um des Herrn willen.
    Am nächsten Tag wollte ich das Geheimnis um den Teich der Madonna lüften.

BERNARD
    Ich hatte Bruder Subillais noch nie so nervös gesehen wie an jenem Morgen. Auf unserem Weg zum Teich der Madonna drehte er sich immer wieder um, als rechne er damit, hinterrücks überfallen zu werden. Es war kälter als am Tag zuvor. Unser Atem hing in dicken Wolken in der Luft, und meine Zähne klapperten.
    Auf dem düsteren Teich lag eine dünne Eisschicht. Bruder Subillais stieg von seinem Pferd und bedeutete den Männern der Eskorte, ihm mit ihren Fackeln zu folgen. Der Anstieg war steil, und unsere Füße fanden in all dem losen Geröll kaum Halt. Über uns konnte ich die Höhle erkennen, eine Spalte in der Felswand, die nicht breiter war als die Schultern eines Mannes. Ich hatte keine Ahnung, was Subillais dort zu finden hoffte.
    Er lief weit voraus. Ich wandte mich zu dem Seigneur um, und unsere Blicke trafen sich. Ich wusste genau, was er dachte: Dieser närrische Priester!
    Wir bemühten uns, ihn einzuholen.
    Als ich die Höhle erreicht hatte, fühlten sich meine Beine bleiern an, und ich rang nach Atem. Mein Ordensbruder wartete bereits ungeduldig auf uns.
    »Entzündet die Fackeln!«, befahl er den Männern des Seigneurs und betrat dann mit seiner Fackel als Erster die Höhle.
    Nach wenigen Schritten hielt er inne und wies vor uns auf den Boden. Im weißen Kalksteinstaub waren Fußabdrücke zu erkennen. Irgendjemand war hier gewesen, und zwar erst vor kurzem.
    »Pilger«, sagte Raymond.
    »Oder das Mädchen«, entgegnete Bruder Subillais. Die Fußspuren bestärkten ihn

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