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Die Novizin

Die Novizin

Titel: Die Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Falconer
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in seiner Entschlossenheit. Er ging weiter, hinein in die Dunkelheit.
    Wir anderen folgten ihm zögernd und widerwillig.
    An den Wänden der Höhle befanden sich seltsame Zeichnungen, und aus der finsteren Tiefe konnte ich das stetige Tropfen von Wasser vernehmen. Einer der bewaffneten Männer murmelte ein Gebet.
    Als das Licht der Fackeln die Dunkelheit durchdrang, bäumte sich vor uns ein Dämon auf. Ein anderer Mann stieß ein Keuchen aus und ließ seine Fackel fallen. Ich rief eine Verwünschung aus und hob die Fackel schnell auf, bevor sie in der schleimigen Pfütze verlöschte, die den Boden bedeckte.
    Was wir sahen, war natürlich kein Dämon, obwohl es in der Tat die Gestalt eines solchen besaß. Es war eine Illusion, die der Fels schuf, ein großer Vorhang aus Kalk, geformt von dem milchig weißen Wasser, das unablässig von der Höhlendecke tropfte. Im flackernden Licht unserer Fackeln schien es um uns herum zu toben und zu tanzen.
    Nun flüsterte auch ich ein Vaterunser. Die Fackeln knisterten und qualmten so sehr, dass mir übel wurde.
    »Sollten wir nicht besser umkehren?«, fragte einer der Männer.
    »Wenn ich bereit bin, zurückzugehen, werde ich Euch dies mitteilen«, erwiderte Bruder Subillais.
    Wir drängten uns an diesem ersten Hindernis vorbei. Mochte es auch nur ein heller Felsen sein – die Männer wichen vor ihm zurück, als sei es der Höllenfürst höchstpersönlich.
    Ich vernahm das Echo fließenden Wassers, und bald darauf erblickten wir den unsichtbaren Fluss, der durch das Herz dieses Berges strömte und den Teich der Madonna speiste. Wir alle starrten ihn voller Staunen an.
    »Sollen wir wirklich noch weiter vordringen?«, erkundigte sich der Befehlshaber von Raymonds Söldnern. »Womöglich finden wir dann den Rückweg nicht mehr.«
    »Gott wird uns leiten«, verkündete Bruder Subillais unverdrossen und ging weiter.
    Ich folgte ihm und rief mir ins Gedächtnis, dass ich zur Ehre Gottes handelte und dass er mich beschützen würde.
    Die eigenartigen Kalkablagerungen an der Decke warfen unheimliche Schatten auf die Wände der Höhle. Man bekam den Eindruck, als seien zahlreiche Scheusale dem Fegefeuer entronnen und führten hier einen wilden Tanz auf. Mein Mund war inzwischen so trocken wie Staub, und mein Herz fühlte sich an, als wolle es mir im nächsten Augenblick aus der Brust springen.
    Ein Phallus wuchs aus dem Boden empor, um mich zu verspotten – ein weiteres gottloses Werk in dieser Höhle. Ich hörte ein metallenes Klirren. Die Männer des Seigneurs befingerten nervös ihre Schwerter.
    Wir hatten uns nicht mehr als dreißig Schritte von dem Fluss entfernt, als Bruder Subillais meinen Namen rief und auf etwas zeigte. Vor uns stand eine schwarze, gedrungene, hässliche Statue, die offenbar eine Frau darstellen sollte. Sie hatte flache Brüste und einen absonderlich gewölbten Bauch. Ein heidnisches Götzenbild, das unsere Madonna verspottete.
    »Dieser Ort ist verhext«, stieß Raymond hervor.
    Seine Männer wollten nicht weitergehen. Sie sprachen von unserer Sicherheit, doch es war klar, dass sie in Wirklichkeit um die ihre fürchteten. Bruder Subillais wandte sich angewidert von ihnen ab und setzte seinen Weg fort. Ich begleitete ihn, ohne zu wissen, ob Raymond und seine Eskorte uns folgen würden.
    Zum Glück mussten wir nur noch wenige Schritte zurücklegen, bis mein Bruder das fand, was er gesucht hatte. Es schien sich uns vom Höhlengrund entgegenzurecken, doch dies war lediglich eine weitere Sinnestäuschung. Sogar Bruder Subillais wich zurück, er schien sich trotz allem nicht sicher zu sein, worauf er gestoßen war. Einem der Bewaffneten entfuhr ein gotteslästerlicher Fluch, und er hatte es wohl allein der Dunkelheit zu verdanken, dass ihm der Seigneur dafür keine Tracht Prügel verabreichte.
    Wir hatten ein Grabmal entdeckt. Der Steinsarg war so prachtvoll wie für einen Prinzen oder Adligen gemacht und etwa mannshoch. Er musste sehr alt sein, denn er war von dicken Kalksteinverkrustungen bedeckt. Es machte uns sprachlos, inmitten dieses Berges auf eine solche Stätte zu stoßen.
    Bruder Subillais trat näher heran. Ich folgte ihm. Wir bemerkten, dass der Sarkophag geöffnet worden war. Die Fußspuren führten direkt dorthin und stammten offenbar von mehr als einer Person.
    Bruder Subillais stellte sich auf die Zehenspitzen und spähte über den Rand ins Innere.
    »Leer«, bemerkte er, was mich nicht sonderlich überraschte, denn der Sargdeckel lag in zwei Teile

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