Die Novizin
zu müssen, dass ich weinte.
Später erzählte man mir, dass ich immer wieder bewusstlos wurde, dass ich um mich schlug und dass meine Schreie von den Felsen widerhallten. Ich entsinne mich, dass ich zu Gott betete, er möge mich von der Pein erlösen. Doch er konnte das Werk des Teufels nicht ungeschehen machen. Ich musste es ertragen, wie unser Herr es in seiner letzten Stunde ertragen hatte, und das tat ich auch.
BERNARD
Ich hatte ihm schon viele Male geraten, seinen eiligen Schritt zu verlangsamen, aber Bruder Subillais lief beharrlich weiterhin den felsigen Pfad hinunter, als würde er von eine Meute Bären verfolgt.
Als es geschah, befand er sich etwa zwanzig Schritte vor mir. Er muss eine Krähe im Gebüsch gestört haben, die sich krächzend in die Luft schwang. Wie Bruder Subillais später berichtete, fuhr er zusammen und schwankte. Seine Kutte verfing sich in einem Busch, er geriet ins Stolpern und stürzte den Pfad hinunter. Der Knochen seines rechten Beines brach wie ein Zweig, das Knacken war deutlich zu hören.
Als wir ihn erreichten, war er nur halb bei Bewusstsein. Sein Bein lag verdreht auf dem Boden. Aus der Mitte seines rechten Unterschenkels ragte der Knochen hervor. Ich spürte, wie mir das Blut aus dem Gesicht wich und sich mein Magen zusammenkrampfte. Ich keuchte und wandte mich rasch ab.
Der Befehlshaber nahm mich beiseite. »Das ist ja eine schöne Bescherung!«
»Was sollen wir tun?«
»Das Bein ist gebrochen. Wir müssen es richten.«
Bruder Subillais begann sich zu bewegen und stöhnte leise. Der Befehlshaber beugte sich nieder und brachte das Bein in eine andere Position. Als die Knochen knirschten, wurde mir dermaßen übel, dass ich mich geräuschvoll in die Büsche übergab.
Ich hielt mir die Ohren zu, um die Schreie meines Ordensbruders nicht hören zu müssen. Ich war niemandem eine Hilfe, und dafür schäme ich mich im Nachhinein zutiefst.
Der Befehlshaber und seine Männer fertigten aus Ästen und Seilen eine Bahre für Bruder Subillais an, die von einem der Pferde gezogen wurde. Bei jeder Unebenheit des hart gefrorenen Bodens schrie er auf. Ich zitterte am ganzen Körper wie ein Weib.
Es war nicht gerade der schönste Tag meines Lebens.
*
Der Knochensetzer, ein Mönch namens Vater Arnaud, kam mit ernstem Gesicht aus dem Gemach. Seigneur Raymond, die Dame Eleonore und ich warteten im Korridor. Keiner von uns hatte den Raum betreten wollen, während Arnaud seine grässliche Arbeit tat. Seit unserer Rückkehr waren Bruder Subillais’ Schreie im gesamten Château zu hören und verursachten eine gedrückte Stimmung unter den Bewohnern.
»Nun, wird er überleben?«, erkundigte sich Raymond.
Vater Arnaud hatte einen kleinen Blutfleck auf seinem Handrücken entdeckt, inspizierte ihn kurz und wischte ihn dann an seiner Kutte ab. »Das Bein ist mehrmals gebrochen. Wir sollten es amputieren, bevor es sich entzündet, aber er weigert sich.«
»Könnt Ihr denn nichts für ihn tun?«
»Ich habe den Knochen gerichtet, so gut ich es vermochte, und einen Wickel um das Bein gelegt. Außerdem habe ich ihn zur Ader gelassen, damit die schlechten Säfte abfließen. Jetzt ist er in Gottes Hand.«
»Möge Gott ihm gnädig sein«, murmelte ich.
»Habt Dank für Eure Mühe, Vater«, sagte Raymond zu Arnaud und wandte sich zum Gehen.
Zögernd stieß der Mönch hervor: »Er hat gesagt, er sei vom Teufel angefallen worden.«
Alle drei warfen mir einen Blick zu. »Eine Krähe flog aus einem Busch auf, das war alles«, erklärte ich.
Der Mönch zuckte mit den Schultern. »Wie dem auch sei, dies waren seine Worte.«
Raymond schüttelte den Kopf, als seien derlei Heimsuchungen in Saint-Ybars unbekannt und von uns hier eingeschleppt worden. Ich wusste, was er dachte. Ist der Teufel erst einmal gesichtet, wird man ihn so schnell nicht wieder los.
*
Bruder Subillais’ Kopf auf dem Kissen glich einem Totenschädel. Sein Gesicht war unrasiert und eingefallen, seine Haut wirkte wie Pergament. Das verletzte Bein verströmte einen Übelkeit erregenden Gestank. Vater Arnaud untersuchte gerade den Harn seines Patienten, welchen er in einer Holzschüssel aufgefangen hatte. Er roch daran und tauchte dann einen Finger hinein, um die Geschmacksprobe zu machen.
»Der Harn ist leicht beißend und von dunkler Farbe. Ich werde den Patienten morgen abermals zur Ader lassen.«
»Warum nicht schon heute?«, wollte ich wissen.
»Er wurde im Zeichen des Steinbocks geboren, und meinen
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