Die Nymphe Eva
Mr. Wolfe eingehalten«,
sagte ich. »Als Mr. Wolfe ihn zuletzt sah, saß er noch in dessen Büro.«
»Das begreife ich nicht.« Sie
schüttelte verständnislos den Kopf. »Dana hätte niemals...«
» Mrs. Garow !« Ich stellte mein noch unbenutztes Glas auf
einen in der Nähe stehenden Tisch, und nie zuvor in meinem ganzen verdammten
Leben hatte ich eine so nachdrückliche Handbewegung gemacht. »Sie haben mir in
dieser Sache nicht die volle Wahrheit erzählt, und vielleicht gefährden Sie
dadurch das Leben Ihres Mannes.«
Es war im Grunde nichts als melodramisches Gequassel , aber
ich hatte das Gefühl, daß eine so absolut unfaire Unterstellung sie tiefer
treffen würde.
»Danes Leben gefährden?« Ihr
Gesicht verfärbte sich plötzlich in schmutziges Grau. »Ich verstehe Sie nicht,
Lieutenant. Ich liebe meinen Mann, ich möchte ihn wieder hier haben — jetzt!
Ich...«
»Wenn ich dazu beitragen soll,
ihn Ihnen wieder zurückzubringen, muß ich die volle Wahrheit wissen, Mrs. Garow «, hämmerte ich ihr
ein. »Ich möchte die Wahrheit über diese plötzliche finanzielle Krise wissen.
Warum mußte er Ihren Schmuck verkaufen? Warum hat er diesen Verkauf an Wolfe so geheimgehalten ? Warum brauchte er so verzweifelt
sechzigtausend Dollar in bar?«
Ich sah eine Weile zu, wie ihr
die Tränen über die Wangen strömten, und war mir dabei selber herzlich zuwider.
Dann hob sie den Kopf und blickte mich mit einem Ausdruck ausgeprägten Stolzes
in den feuchten Augen an.
»Die Wahrheit will ans Licht,
hat meine Mutter immer gesagt, und sie hatte recht.« Ihre Stimme hörte beinahe
auf zu zittern, und irgendwie wurde dem abgenutzten Klischee durch ihre
eigensinnige Loyalität und tiefe Treue gegenüber einem Mann, der dies meiner
Ansicht nach nicht im geringsten verdiente, eine gewisse Würde verliehen.
»Mein Mann ist ein
leidenschaftlicher Mensch, Lieutenant«, sagte sie leise mit gelassener Stimme.
»Ich wußte seit einiger Zeit, daß ihn etwas schwer bedrückte und daß es immer
schlimmer wurde. Dann, vor etwa einer Woche, erzählte er mir, worum es sich
handelte. Es war vor ein paar Monaten passiert, als er das Wochenende über
angeblich auf einer Geschäftsreise in San Francisco war. Statt dessen hatte er
die Zeit mit seiner Privatsekretärin verbracht. Armer Dane!« Ihre Stimme war
tief vor Mitleid. »Das Mädchen kündigte eine Woche später, und er begriff
nicht, warum, bis die Fotoserie mit der Post in einem Umschlag in sein Büro
kam. Da, so erzählte er mir, wurde ihm klar, daß ihn das Mädchen auf den Arm
genommen hatte und die Partnerin eines professionellen Erpressers sein mußte.
Die Fotos — er hat sie mir nicht gezeigt, aber...«, sie holte scharf Luft,
»niemand, der auch nur einen Funken menschlicher Würde besitzt, hat das Recht,
solche Bilder aufzunehmen! Es lag ihnen ein Brief bei, indem Geld gefordert
wurde, da der Schreiber sonst Kopien der Aufnahmen an mich schicken würde.
Also zahlte er, und danach
wurde noch mehr Geld gefordert, und er zahlte erneut.« Sie seufzte leise. »Für
Sie muß das eine uralte Geschichte sein, Lieutenant. Dane zahlte und zahlte,
bis sein eigenes Geld aufgebraucht war, und danach nahm er das Geld der
Gesellschaft, stahl es aus einigen der Fonds, zu denen er als Präsident
leichten Zugang hatte. Er bat mich um Verzeihung, und ich vergab ihm.« Sie
zuckte leicht die Schultern. »Als ob ich mir aus seinem mit einer anderen Frau
verbrachten Wochenende auch nur das geringste gemacht hätte. Als ob ein solcher
trivialer Zwischenfall die Liebe und das gegenseitige Verständnis einer Ehe mit
dem einzigen Mann auf der Welt, der mir je etwas bedeutet hat, zerstören könne!
Also riet ich ihm, meinen
Schmuck zu verkaufen und das Geld zurückzuzahlen, das er der Gesellschaft
gestohlen hatte. Danach, so fand ich, sollte er dem Erpresser klarmachen, daß
er tun könne, was ihm beliebe, daß aber er, Dane, keine zehn Cent mehr
bezahle.«
»Danke, Mrs. Garow «, sagte ich mit ausdrucksloser Stimme. »Ich
werde in einer Stunde mit Wolfe vor dessen Bürogebäude zusammentreffen. Wenn
wir etwas herausfinden, was zur Rückkehr Ihres Mannes führt, werde ich Sie
sofort anrufen.«
»Das ist sehr freundlich von
Ihnen, Lieutenant«, sagte sie ruhig. »Ich will weiterhin fest daran glauben,
daß Dane gesund und wohlauf ist und daß es für sein Wegbleiben eine absolut
logische Erklärung gibt, auf die ich nur nicht gekommen bin.«
Hatte sie diese Erklärung
wirklich noch nicht
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