Die Obamas
erstaunt: Axelrod und PowerPoint? Er war ein komischer Kauz, ein hausbackener Typ mit fleckiger Krawatte, und Michelle hatte jahrelang den Eindruck gehabt, dass er zu sehr zum Improvisieren neigte. Doch nun erledigte er alles in ihrem Sinne, umsichtig und präzise.
Axelrod lieferte reihenweise Umfrageergebnisse, die sie nie gesehen hatte, darunter auch Belege dafür, dass die Öffentlichkeit die Obamas viel lieber zusammen als getrennt auftreten sah. Das war im Wesentlichen derselbe Gedanke, der den Mitarbeitern schon während des Präsidentschaftswahlkampfs gekommen war – dass Obama im Kreis seiner Familie besonders gut punkten konnte. Doch nun, da Michelle Obama eine angesehene First Lady und ihr Mann ein schwächelnder Präsident war, kam diesem Umstand eine gänzlich neue Bedeutung zu.
In einem Interview ein Jahr zuvor hatten die Obamas ganz entschieden bestritten, dass sie ihre Ehe zu politischen Zwecken vermarkteten; sie hatten sich durch die bloße Vermutung gekränkt gegeben. Jetzt hörten sie aufmerksam zu, als die Mitarbeiter ihnen erklärten, wie sie durch gemeinsame Auftritte Stimmen gewinnen könnten. Ihre Ehe bekam dadurch abermals mehr Gewicht: Zusätzlich zu allem anderen sollte sie nun auch noch die Verluste der Demokraten eindämmen.
»Das war eine
erstklassige
Präsentation«, sagte der Präsident mit einem unübersehbaren Lächeln, das so viel besagte wie »So gut werde
ich
nie behandelt«.
Die First Lady stellte kaum Fragen. Sie war zufrieden, sagten die Berater, und zwar nicht nur wegen der Faktenlage. Niemand verlangte mehr von ihr, im letzten Moment einzuspringen, niemand schickte ihr mehr per E-Mail Termine, in der Erwartung, dass sie schon ja sagen würde. Endlich bekam sie, worauf sie seit Jahren gepocht hatte: dass sie wie eine Chefin behandelt wurde, eine Teilhaberin.
Die Machtdynamik zwischen den Obamas, zwischen West- und Ostflügel, hatte sich geändert. Und zwar zu einem entscheidenden Teil auch deshalb, weil Michelle die Rolle der nicht allzu politischen Ehefrau und Mutter so gut gespielt hatte. Je unpopulärer ihr Mann wurde, desto mächtiger wurde sie.
Natürlich war die gelungene Präsentation im Oval Office nicht der einzige Grund, weshalb die First Lady bereit war, in den Wahlkampf zu ziehen: Ihr Mann hatte sie – auf Anraten Rahm Emanuels – darum gebeten. Normalerweise widerstrebte es ihm, sie für seine politischen Ziele einzuspannen, stets darauf bedacht, sie aus der Schusslinie zu halten. Doch er war auf ihre Hilfe angewiesen und hatte einem Mitarbeiter zufolge die Bitte persönlich an sie gerichtet.
Dennoch war das Engagement der First Lady begrenzt: auf acht Termine zwischen dem Labor Day und dem Wahltag. Zahlreiche Kandidaten hatten gehofft, dass sie sich aktiv am Wahlkampf beteiligen würde, aber die Gesamtzahl ihrer Termine war nur ein Bruchteil dessen, was das politische Team sich gewünscht hatte. »Im Grunde genommen hat sie sich zu gar nichts verpflichtet«, sagte ein Berater, eher verwundert als frustriert.
***
Je höher Michelle Obamas Stern stieg, umso schneller begann der Rahm Emanuels zu verglühen. Sein Abgang aus dem Weißen Haus akzentuierte einerseits seine große Leistung und andererseits die interne Dynamik, die seine teils kopflose und chaotische Amtsführung hervorgerufen hatte.
Im September gab der Chicagoer Bürgermeister Richard M. Daley bekannt, dass er nicht mehr kandidieren werde, und Emanuel, der schon lange mit diesem Amt liebäugelte, packte die Gelegenheit beim Schopf. Obama verlor keine Zeit. Im Fernsehen erklärte er, dass sein Stabschef, der einen hervorragenden Bürgermeister von Chicago abgeben würde, bis zu den Zwischenwahlen im Amt bleiben werde.
Doch damit hatte Obama jetzt einen Stabschef, der zusätzlich zu seiner leitenden Stellung im Weißen Haus die Zwischenwahlen überwachen musste und auch noch eine eigene Kandidatur plante. Und damit nicht genug: Einflussreiche Schwarze in Chicago wollten ausgerechnet Marty Nesbitt gegen ihn aufstellen. Nesbitt war ein attraktiver Kandidat: ein erfolgreicher Geschäftsmann und einflussreicher Bürger mit hervorragenden Beziehungen, einer interessanten Lebensgeschichte und guten Aussichten, die schwarzen Wähler für sich zu gewinnen, die den Ausschlag geben würden. Die mögliche Kandidatur Nesbitts brachte Obama in eine bizarre Situation: Sein bester Freund und sein Stabschef wollten sich um dasselbe Amt bewerben. Ein hitziger Wahlkampf konnte zu größten Verwerfungen in
Weitere Kostenlose Bücher