Die Obamas
Rückseite waren einige demokratische Kandidaten aus dem Raum Philadelphia mit einer entsprechenden Wahlempfehlung zu sehen.
Am Abend drängten sich unzählige Studenten auf dem Campus der University of Pennsylvania und warteten auf die Rede der First Lady. Die Musik aus den Lautsprechern und die jungen Leute in Jeans und Kapuzenpullis ließen so etwas wie Feierstimmung aufkommen. (Selbst eine Wahlkampfveranstaltung für aussichtslose Kandidaten war lebendiger als viele Events im Weißen Haus.)
Nach langer Wartezeit und einer Vorrede nach der anderen erschien die First Lady. Sie trug einen schwarzen Blazer und wirkte mehr als sonst wie die Anwältin, die sie einmal gewesen war. Dann hob sie zu ihrer Rede an, über der sie seit August gebrütet hatte. Die Rede war in Zusammenarbeit mit David Axelrod und Sarah Hurwitz entstanden. Inzwischen war es die Redenschreiberin aus dem Westflügel, die am häufigsten mit der First Lady zusammenarbeitete. Zu dritt waren sie zahlreiche Entwürfe durchgegangen, was streckenweise in Knochenarbeit ausartete: Michelle Obama kannte viele der Kandidaten nicht einmal, ihr Mann stand nicht zur Wahl, sie wollte keine politische Rede halten, aber trotzdem etwas sagen, was ihr am Herzen lag. Privat hob sie so entschieden die Leistungen ihres Mannes hervor, dass es nicht einfach war, mit einer Rede den richtigen Ton zu treffen. »Ich glaube, sie hat ein sehr starkes Bedürfnis, für ihn und seine Ziele einzutreten, deshalb gerät sie leicht in Versuchung, sich etwas zu tief ins Getümmel hineinziehen zu lassen, und das ist nicht gerade ihre Traumrolle«, sagte Axelrod. Seiner Meinung nach sollte sie höher ansetzen und über die Bedeutung der Amtszeit ihres Mannes sprechen, sich dabei aber an allgemeine Themen halten und nicht zu politisch werden. »Es war ihr sehr wichtig, dass es ihre eigene Rede wurde«, sagte Susan Sher. »Viele wirklich gute Reden funktionierten bei ihr nicht, weil sie nicht ihren Ton trafen.«
Zu Beginn ihrer Rede erinnerte Michelle Obama ihre Zuhörer daran, dass sie die »Mutter der Nation« sei und aus der Hoffnung für die Zukunft ihrer Kinder heraus spreche. Ihr neues Leben im Weißen Haus bezeichnete sie als »sehr interessant«. Ihr Tonfall war sanft, ohne eine Spur von Vehemenz. »Ich weiß, dass der Wandel zu lange auf sich warten lässt«, sagte sie und versetzte sich damit in ihre Zuhörer. »Es dauert viel länger, als uns allen lieb ist.« Doch gemeinsam seien sie schon zu weit gekommen, um jetzt aufzugeben, sagte sie und schüttelte dabei den Kopf, fast als müsse sie den Impuls unterdrücken, die Sache hinzuwerfen. Und sie wiederholte ihre bekannten Äußerungen: Sie rechne damit, dass es schwer bleibe, sie aber bereit sei, die Mühen auf sich zu nehmen.
Indirekt bezog sie sich damit auch auf ihr Unbehagen im Weißen Haus: Sie erwähnte ihren Vater und sprach darüber, wie viel schwerer er es im Leben gehabt habe als sie. Sie schilderte, wie er frustriert auf der Bettkante gesessen habe, weil er an Multipler Sklerose litt und sich nicht mehr selbst das Hemd zuknöpfen konnte. Trotzdem sei er, »ohne zu klagen«, zur Arbeit gegangen, sagte sie. Ihre Augen waren groß und aufrichtig. »Ich habe keine Zeit, müde, frustriert oder bekümmert zu sein«, fuhr sie fort und versetzte sich damit erneut in ihre Zuhörer. Waren diese enttäuscht von dem, was ihr Mann im Weißen Haus bisher erreicht hatte? Nun, ihr gehe es genauso. Sie teile ihre Sorgen; sie stehe auf ihrer Seite. Aber sie halte durch, weil ihre Eltern sich abgerackert hätten, um ihr ein besseres Leben zu ermöglichen, und jetzt rackere der Präsident sich ab, um der nächsten Generation den gleichen Dienst zu erweisen.
»Mein Mann kann es auch alleine schaffen«, verkündete die First Lady und ließ den Satz einen Moment lang vieldeutig im Raum stehen, so als wolle sie sich und die Zuhörer ermutigen, das Ihre dazu beizutragen. Wie sie selbst habe auch ihr Publikum keine Wahl. »Yes, we must«, sagte sie, in Abwandlung des vertrauten »Yes, we can«.
»An die Arbeit!«, rief sie zum Abschied in die herbstliche Dunkelheit hinaus.
Kapitel 13: … ist sein Verlust
November – Dezember 2010
I ch liebe Wahlen«, schmetterte ein jüngerer Barack Obama am 7 . November 2006 strahlend einer Gruppe von Dokumentarfilmern entgegen, die ihre laufenden Kameras erwartungsvoll auf ihn gerichtet hatten. [67] Es war einer der bis dahin besten Abende seiner Laufbahn: Ein Heer von Demokraten unter dem
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