Die Obamas
Obamaland führen: Schwarz gegen Weiß, Obama-Anhänger gegen »Clintonites«, Chicagoer gegen Washingtoner, Außenseiter gegen Polit-Profis. Außerdem hatte der Präsident immer wieder betont, wie sehr er es schätze, dass seine Beziehung zu Nesbitt außerhalb der Politik stehe und damit eine Art Zuflucht für ihn blieb. Wenn Nesbitt jedoch kandidierte, ob erfolgreich oder nicht, würde sich das ändern.
Nesbitt verzichtete schließlich – es sei der falsche Zeitpunkt, befand er, und als Politneuling und bester Freund des Präsidenten hätte er sich dem Vorwurf der Vetternwirtschaft ausgesetzt. Der ehemalige Stabschef war ein übermächtiger Kandidat, erfahren, schwer einzuschüchtern und leidenschaftlich in der Durchsetzung seiner Ziele. Nesbitt stellte sich auf Emanuels Seite und gab den Spendensammler, und Obamas farbige Freunde überlegten, ob sie nicht größeren Einfluss auf den Mann nehmen könnten, dessen Chancen, Bürgermeister von Chicago zu werden, sich zusehends verbesserten: Er würde den Schwarzenvierteln Aufmerksamkeit und Ressourcen zukommen lassen müssen, wenn er die Wahl gewinnen wollte, und sich anschließend an seine Zusagen halten müssen, wenn er wiedergewählt werden wollte. Um sich die Gunst der schwarzen Wähler zu sichern, verschwieg Emanuel skrupellos, was sich im Weißen Haus tatsächlich abgespielt hatte: Bei einem Treffen mit einer afroamerikanischen Frauengruppe, die sich Harriet’s Daughters nennt, war Emanuel danach gefragt worden, wie er es mit der Verteilung von Posten an Mitarbeiter unterschiedlicher Herkunft halte. »Ich habe Valerie eingestellt«, hatte er gesagt und praktischerweise »vergessen«, dass er zunächst versucht hatte, ihre Anstellung im Weißen Haus zu verhindern, und sie stattdessen in den Senat hatte schicken wollen.
Emanuel hoffte auf eine förmliche Empfehlung des Präsidenten, doch Jarrett sprach im Kollegenkreis darüber, dass sie dagegen sei. Trotz ihrer Reibereien mit Rahm formulierte sie es neutral: Landauf, landab würden Bürgermeister um eine Wahlempfehlung von Obama bitten, und wenn der Präsident diesen Wunsch einmal erfülle, müsse er es immer wieder tun. Auch sei es nicht ohne Risiko, seinen früheren Stabschef zu unterstützen. Emanuel sei der aussichtsreichste Kandidat im Rennen, aber kein sicherer Sieger: Er habe seit Jahren nicht mehr über einen längeren Zeitraum in Illinois gewohnt. Sollte sich herausstellen, dass er nicht wählbar war, könne man der Regierung Schlamperei oder Nepotismus nachsagen. (Emanuel sagte, er habe nie den Präsidenten um Hilfe gebeten, während Jarrett betonte, sie habe nie mit Obama darüber gesprochen.)
Obwohl Obama schon seit Monaten gefasst über Emanuels Weggang gesprochen hatte, konnte er sich offenbar nur schwer damit abfinden. Ein Präsident sei nun einmal auf seinen Stabschef angewiesen. Mitarbeiter wiesen darauf hin, dass Emanuel dem Präsidenten die unliebsamen Aufgaben abgenommen habe – wie etwa die Kontaktpflege mit dem Kongress. Nachdem nun die gemeinsame Arbeit getan war und die internen Spannungen der Vergangenheit angehörten, wurde ihre Beziehung nach Aussage von Kollegen herzlicher: Obama verabschiedete Emanuel mit einer Pressekonferenz samt Beinahe-Empfehlung und einem der seltenen Empfänge in den Privaträumen, zu dem nur ausgesuchte Mitarbeiter geladen wurden. Als Abschiedsgeschenk überreichte er ihm eine gerahmte Kopie ihrer Aufgabenliste für 2010 . Die meisten Punkte waren abgehakt. Beide Männer führten gern Listen, und darum war es letztlich in ihrer Beziehung gegangen: das Erledigen von Dingen.
Es war schön, aber förmlich, sagte jemand, der an der Party teilgenommen hatte. Man machte es sich nicht wie bei den Clintons auf dem Sofa bequem und tauschte bis tief in die Nacht Meinungen und Vertraulichkeiten aus. Man erschien pünktlich und merkte genau, wann es Zeit war zu gehen.
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Am Vorabend des Wahltages waren in Philadelphia die Ergebnisse von Michelles Besprechung im Oval Office zu besichtigen. Freiwillige Wahlhelfer verteilten in der ganzen Innenstadt Flugblätter mit einem großen Farbfoto des Präsidenten und der First Lady, auf dem die beiden sich um die Taille gefasst hielten und einer Menschenmenge zuwinkten. (Das Bild war einige Wochen zuvor entstanden, bei einer gemeinsamen Wahlveranstaltung in Ohio.) Der Präsident schaute in die Ferne, doch die First Lady lächelte in die Kamera – direkter Blickkontakt mit jedem, der das Flugblatt betrachtete. Auf der
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