Die Obamas
fallenzulassen kam jedoch auch nicht in Frage, das hätte nur noch mehr Staub aufgewirbelt. Die First Lady verteidigte ihr Vorhaben: Sie versuche nur, das Weiße Haus für ihre Familie behaglich herzurichten, ein neues Zuhause für ihre Töchter zu schaffen. Wenn sie die offiziellen Räume in ihre Pläne mit einbeziehen würde, wäre Kritik berechtigt; sie wolle jedoch nur die Privaträume neu gestalten, und das sei von jeher ein Vorrecht der Präsidentenfamilie gewesen. Unter jeder neuen Regierung werden vom Kongress 100000 Dollar dafür bereitgestellt, und da die Bushs damals die Arbeiten aus eigener Tasche bezahlt hätten, warteten nun 200000 Dollar darauf, ausgegeben zu werden.
Die Diskussionen über die Umgestaltung zogen sich bis weit ins Frühjahr hinein. Der Präsident teilte die Bedenken seiner Berater und wollte das Risiko eines öffentlichen Aufschreis so gering wie möglich halten. Man würde zwar mit der Renovierung fortfahren, dafür aber nicht auf Steuergelder zurückgreifen und einige Dinge zurückstellen. Smith übernahm, wo immer möglich, bereits vorhandenes Mobiliar und suchte die Stoffe für neue Polsterbezüge aus dem Restebestand des Weißen Hauses aus, ergänzt durch einige wenige Einkäufe bei Anthropologie oder Walmart.
Der Präsident schaltete sich überraschend aktiv in das Projekt ein. »Er hat ganz genaue Vorstellungen davon, wie er wohnen will«, sagte Desirée Rogers damals. »Er ist da sehr eigen.« Wann immer etwas Neues geliefert werde, vergewissere er sich, »ob es genau mit der Abbildung übereinstimmt«. Die Obamas tauschten die weißen Korbmöbel der Bushs auf dem Truman-Balkon gegen eine dunklere, moderne Garnitur, und die First Lady bestellte einen Schaukelstuhl, damit der Präsident draußen lesen konnte.
Dass die First Lady so viel Wert auf Stilfragen legte, bereitete nicht nur Mitarbeitern des Westflügels große Probleme. Wenige Wochen vor der Londonreise war Michelle Obama auf der Titelseite der amerikanischen
Vogue
zu sehen, was zu einem höchst unangenehmen Schlagabtausch führte, einem der schlimmsten, die ihre Berater je erlebt hatten. Kurz zuvor hatte Michelle sich noch so gekleidet, wie es im Chicagoer Stadtteil Hyde Park üblich war: Strickwesten und Hosen aus den gängigen Ladenketten. Sie hatte zwar damals schon viel für schöne Dinge übriggehabt, sich manches aber schlicht nicht leisten können. Ihre Diamantohrringe hatte ihr Ehemann ihr einmal geschenkt. In seinem 2005 erschienenen Buch
Hoffnung wagen
beschrieb Barack Obama das Erscheinungsbild seiner Frau so: »Eher die vertraute Schönheit der Mutter und vielbeschäftigten Akademikerin als das retuschierte Bild, das wir auf Hochglanzmagazinen sehen.«
Doch das änderte sich, als die Karriere ihres Mannes Fahrt aufnahm. Die Auswahl ihrer Garderobe wurde zu einem Vergnügen, zu einer Art Kompensation für die Opfer, die sie für sein Leben in der Politik bringen musste. »Wenn ich schon dorthin muss, dann wenigstens in einem neuen Kleid«, äußerte sie einmal Nachbarn gegenüber, bevor sie nach Washington flog, um ihren Mann zu einer Veranstaltung zu begleiten. Und als sie dann realisierte, welche Wirkung sie in eleganter Kleidung und professionell gestylt hatte, habe es kein Zurück mehr gegeben, beschreibt es eine Freundin. Bei der Amtseinführung traf die Beschreibung ihres Mannes nicht mehr zu: Ihr Haar schien seidiger, ihre Augenbrauen waren feiner geschwungen, ihr Make-up war wie immer makellos, und sie fühlte sich offensichtlich wohl in Sachen, die Designer zum Teil eigens für sie kreiert hatten. Man sei gut beraten, ihre Garderobe nicht zu hinterfragen, äußerte sich eine Mitarbeiterin. Sie habe gleich an ihrem ersten Tag im Dienst der First Lady gelernt, »die Kleidung nicht anzurühren«.
Ein tadelloses Aussehen gebe ihr Selbstvertrauen, sagte Michelle ihren Mitarbeitern. Sie wappne sich damit gegen die allgegenwärtigen Kameras. »Ein einziges Foto, auf dem man nicht perfekt aussieht, genügt schon«, meinte auch Susan Sher. Mit ihrer Kleidung konnte Michelle Obama ausdrücken, was sie nie ausgesprochen hätte: dass eine Frau nicht blond und dünn sein muss, um wunderschön zu sein, und dass sie im Übrigen nicht der langweilige, altbackene oder selbstverleugnende Typ der Politikergattin war. Zudem »lastete der Druck, immer perfekt sein und perfekt aussehen zu müssen, viel stärker auf ihr als auf den First Ladies in der Vergangenheit, denn alle warteten nur darauf, dass ihr, der
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