Die Obamas
Bildungsprojekt und so fort, um sich nicht in einem Wust von unbedeutenden Pflichtveranstaltungen zu verlieren. »Sie wollte wenig machen, dieses wenige aber gut«, sagte Susan Sher. Zu stark politisch oder gar parteipolitisch gefärbte Events wurden aussortiert, ebenso wie spießige oder übermäßig traditionelle Anlässe. Sie wollte ein konkretes Ziel erreichen und achtete besonders auf ihr Zeitmanagement: Eine Veranstaltung musste es wert sein, dass sie kostbare Stunden mit der Familie dafür opferte.
Was ihr Unbehagen hinsichtlich ihrer Rolle betraf, befand sich Michelle Obama in guter Gesellschaft mit ihren Vorgängerinnen. Die jüngere Geschichte der amerikanischen First Ladies ist reich an starken Auftritten, die landesweit für Aufregung sorgten – etwa, als Barbara Bush einen Aids -Patienten umarmte, um zu demonstrieren, dass die Krankheit nicht durch bloße Berührung übertragbar ist –, ebenso wie an privaten Kämpfen. Wie sehr Jacqueline Kennedy von Beginn an unter Ängsten litt, belegen auch kürzlich veröffentlichte Tonbänder. Auch die abgekauten Nägel sprachen Bände. [26] Die von Natur aus so lebenslustige Lady Bird Johnson litt sichtlich unter dem Vietnamkrieg. [27] Betty Ford gewann die Zuneigung der Menschen, betäubte sich aber mit Alkohol und Schmerztabletten. Hillary Clinton hatte das Scheitern ihrer gesundheitspolitischen Initiative, den Selbstmord Vincent Fosters, eines ihrer engsten Freunde aus Arkansas, und die Demütigung des Lewinsky-Skandals zu verkraften, bevor sie sich in ein neues Leben als US -Senatorin katapultierte. Selbst Laura Bush spricht in ihren Memoiren von der Melancholie und Frustration, die sie empfand, wenn sie einsame Nachmittage lesend in der leeren Pracht ihrer Privaträume zubrachte und sich unterschätzt und missverstanden fühlte.
Die Rolle der First Lady ist und bleibt extrem schwierig. Sie bedeutet, dass man sich permanent auf dem Prüfstand befindet und mit großen Einschränkungen leben muss, dass man für unpopuläre Entscheidungen des Ehemannes attackiert wird, dass man Ratschläge im Verborgenen gibt und der eigene Einfluss selten gewürdigt wird. First Ladies, die wie Nancy Reagan und Hillary Clinton ihren Einfluss offen geltend machen, waren als Wichtigtuerinnen verschrien, die nicht durch Wahlen legitimiert sind und unverdient Macht ausüben. Hier liegt der große Widerspruch: Ein Präsident schafft den Sprung ins Weiße Haus nicht zuletzt dank seiner klugen, tüchtigen Ehefrau, aber kaum dort angekommen, wird die Frau in den Ostflügel verbannt und zur bloßen Hilfskraft degradiert.
Obwohl Michelle Obama ihre Rolle unbedingt positiv ausfüllen wollte, fand sie sich plötzlich im Mittelpunkt einer erbitterten internen Debatte darüber wieder, wie sie und ihre Familie auszusehen, zu leben und Gäste zu empfangen hätten. Während des Wahlkampfs hatte kaum jemand Einfluss darauf gehabt, wie sie sich einrichtete, was für Partys sie gab oder was sie im Urlaub unternahm. Im Weißen Haus aber gehörten ihre Wohnung und ihr Leben nicht mehr ihr allein. Fast alles an der Art, wie sie und ihre Familie lebten, wurde außerhalb und damit auch innerhalb des Weißen Hauses diskutiert: gesellschaftliche Anlässe, Renovierungsarbeiten, Urlaubsreisen und selbst Nebensächlichkeiten wie die Frage, ob sie Visagisten und Friseure auf ihre Auslandsreisen mitnahm. In diesen Dingen schenkte ihr der Westflügel Beachtung – aber das war nicht die Form von Aufmerksamkeit, die sie sich wünschte.
Die Schwierigkeiten rührten daher, dass sich die Weltsicht der First Lady und die der politischen Berater ihres Mannes, insbesondere von Robert Gibbs, grundlegend unterschieden. Michelle Obama wünschte sich ein Weißes Haus, das offen war, vielfältig, attraktiv und stilvoll; es sollte die amerikanische Kultur und Lebensart in ihrer besten Form repräsentieren. Sie fand Washington todlangweilig und »wollte bis an die Grenzen des Möglichen gehen«, meinte eine frühere Mitarbeiterin. Sie wollte, dass einfach alles ein gewisses Niveau hatte. So hatte sie es schon zu Beginn des Wahlkampfs gehalten: Als zur Spendenbeschaffung eine Veranstaltung in einem Bierlokal ins Auge gefasst worden war, setzte sie ihre Vorstellungen durch und organisierte stattdessen einen Abend in einem Museum zur afroamerikanischen Geschichte, mit Wein und guter Musik. Auch damit versuchte sie, einen Akzent gegen all das zu setzen, was ihr an der Politik missfiel.
Sie war sich völlig im Klaren
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