Die Obamas
zur Zielscheibe des Spotts wird«, erklärte er. Bevor John Edwards, der frühere Mitbewerber um das Präsidentenamt, wegen einer außerehelichen Affäre in die Schlagzeilen geriet, »hat ihm ein 400-Dollar-Haarschnitt politisch den größten Schaden zugefügt«, sagte Gibbs. »So etwas vergisst man nicht, das lässt sich nicht mehr ungeschehen machen.« Die Liste ähnlicher Fehler ist lang, beispielsweise Bill Clintons teurer Haarschnitt, Sarah Palins Einkaufstouren während ihrer Kandidatur oder John McCains teure Schuhe. Nachdem man sich so viel Mühe gegeben hatte, die politischen Ziele des Präsidenten zu vermitteln, und nach all der Arbeit, die man in Michelle Obamas Image gesteckt hatte, musste verhindert werden, dass sie als materialistisch und egoistisch wahrgenommen wurde.
Nachdem sie es im Wahlkampf 2008 unterlassen hatten, die Frau ihres Chefs vor möglichen Fehlern zu warnen, vollzogen Gibbs und andere Berater nun eine Kehrtwendung. Während des Wahlkampfs »gaben wir ihr nicht das Gefühl, rundum geschützt zu sein, das haben wir uns wohl vorzuwerfen«, sagte Gibbs. »Genau davon habe ich mich dann aber bei meiner Arbeit im Weißen Haus stets leiten lassen.« Im Übrigen, fügte er hinzu, bestimme er nicht, wie die First Lady sich kleide, ihre Räume gestalte oder Gäste empfange. »Mir geht es nur darum, sie zu schützen«, erklärte er, »sie nach bestem Wissen und Gewissen zu beraten in der Frage, wie man etwas meiner Meinung nach am besten darstellt und wie die öffentliche Reaktion darauf aussehen kann.«
Und so kam Gibbs eine wenig beneidenswerte Rolle zu, nämlich die des ewigen Mahners und Neinsagers, der die Regeln der politischen Welt intern durchzusetzen suchte. Da Barack Obama sah, welche Opfer seine Frau für ihn gebracht hatte, wollte er sie nicht zügeln, also übernahm Gibbs diese Aufgabe. Nein, die Obamas durften im Anschluss an eine offizielle Reise keinen Privaturlaub machen, sonst könnte man ihnen vorwerfen, sie würden sich mit der Regierungsmaschine einen Gratisflug sichern. »Und wie soll ich das vor der Öffentlichkeit vertreten?«, kommentierte Gibbs, wie Mitarbeiter sich erinnern, den einen oder anderen Vorschlag aus dem Ostflügel. »Ich möchte das nicht auf Fox News erklären müssen.« Dabei sprach er so gut wie nie mit der First Lady persönlich über seine Bedenken. Er schaltete Jarrett oder Michelle Obamas Stab ein, der dadurch in die missliche Lage geriet, ihr mitteilen zu müssen, dass man im Westflügel Bedenken gegen das eine oder andere ihrer Vorhaben hege. Dann wiederum fühlte sich die First Lady gemaßregelt und nicht ernst genommen. Während sie sich bemühte, zum Gelingen der Regierung beizutragen, behandelte man sie wie eine potenzielle Gefahr.
Am meisten Kopfschmerzen bereitete die Umgestaltung der Privaträume. Nur wenige Tage nach der Amtseinführung wurde bekannt, dass der von den Obamas beauftragte Innenarchitekt Michael Smith die Räume von John Thain, dem entlassenen CEO der Investmentbank Merrill Lynch, für sage und schreibe 1 , 2 Millionen Dollar neu eingerichtet hatte. Unter Thains Ägide hatte Merrill Lynch im vierten Quartal 2008 einen Verlust von 15 Milliarden Dollar eingefahren; jetzt hielten die Steuerzahler die Bank mit 20 Milliarden Dollar aus einem Rettungsfonds über Wasser. Sehr schnell wurden der 87 000 Dollar teure Teppich, den Smith für Thain ausgesucht hatte, und der 1200 Dollar teure Papierkorb zum Symbol für alles, was die Amerikaner an der Wall Street verabscheuten.
Dass Smith für Thain gearbeitet hatte, war niemandem im Weißen Haus bekannt gewesen, auch nicht der First Lady und ihrer Privatsekretärin. Trotzdem wunderten sich die politischen Berater darüber, dass die beiden Frauen von allen Innenarchitekten Amerikas ausgerechnet den Mann ausgesucht hatten, dessen Arbeit zum Synonym für Gier und Dekadenz geworden war. Die Umgestaltung des Wohnbereichs war ohnehin ein heikles Thema: Während die offiziellen Räume seit der Kennedy-Ära weitgehend unverändert geblieben waren, hatte man fast jede First Lady, von Nancy Reagan bis hin zu Hillary Clinton, für ihre Versuche, das Weiße Haus zu verändern, in der Luft zerrissen. Das konnte auch Michelle Obama passieren, und die Verbindung Smith-Thain konnte das Fass zum Überlaufen bringen. »Wer den Präsidenten nicht mochte und politisch auf billige Weise punkten wollte, der brauchte nur zu sagen: Der Präsident hat das Weiße Haus renoviert!«, so Gibbs.
Smith
Weitere Kostenlose Bücher