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Die Obamas

Die Obamas

Titel: Die Obamas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Kantor
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die Neinsager, auch die in der eigenen Partei; mach dir nicht zu viele Gedanken darüber, was in politischen Talkshows geredet wird; ändere deinen Kurs nicht aufgrund wöchentlicher Meinungsumschwünge – dann wird sich das amerikanische Volk wieder beruhigen und deine Argumente zu würdigen wissen. »Der August ist einfach nicht mein Monat«, sagte er seinen Mitarbeitern. »Wir kriegen das schon hin.« Es war nicht ersichtlich, ob Obama begriffen hatte, dass die Tea Party zu einem großen Teil getrieben war von der Angst, in Washington kein Gehör zu finden. Indem er ihre Äußerungen einfach abtat, brachte er sie nur noch mehr gegen sich auf.
    Abends, wenn die Touristen das Weiße Haus verlassen hatten und die Kinder im Bett lagen, saßen die Obamas in ihren neuen Sesseln auf dem Truman-Balkon, der ihr Lieblingsplatz im Weißen Haus geworden war, und analysierten die Situation. Die Gesundheitsreform fügte sich perfekt in ihre gemeinsame Mission – der Idee, dass Obama als Präsident nicht in erster Linie im politischen Alltag von einem kleinen Sieg zum nächsten hetzen wollte, sondern die grundsätzlichen Veränderungen in Angriff nehmen würde, die ihnen seit ihrer Jugend vorschwebten. Darin äußerte sich Michelle Obamas folgenreichster Einfluss auf den Präsidenten: In ihrem Willen, gemeinsam etwas zu bewirken, zeigten sich die bezwingende Macht ihrer Weltsicht und ihr leidenschaftlicher Glaube an Chancengleichheit und Fairness; ihre Bereitschaft, Unpopuläres zu tun und den politischen Preis dafür zu zahlen. Tagsüber diskutierte Obama mit seinen Beratern, die auf den politischen Sachzwängen herumritten und ihm seine Umfragewerte unter die Nase rieben, und abends diskutierte er Mitarbeitern zufolge mit seiner Frau, die ihn an den Wert politischer Moral erinnerte und ihn immer wieder mahnte, sie seien angetreten, Gutes zu tun, und dass sie sich nicht vom politischen Geschrei einschüchtern lassen wollten, sondern ihre Visionen kühn vertreten sollten.
    Michelles Überzeugungen deckten sich mit denen ihres Mannes. Obama maß seiner Wahl zum Präsidenten eine besondere Bedeutung bei: Das amerikanische Volk, so äußerte er sich einmal gegenüber Freunden, habe damit seine Bereitschaft gezeigt, seit langem schwelende Probleme anzupacken. Sonst wäre ein Farbiger wie er mit einer ungewöhnlichen Geschichte und einem seltsamen Namen niemals gewählt worden. »Es existierte eine tiefe Sehnsucht nach Veränderung, und er sah sich in vielerlei Hinsicht als die Personifizierung dieser Sehnsucht«, so beschrieb David Axelrod die Gefühle des Präsidenten. Die Monate, die Obama der Finanzkrise gewidmet hatte, seien ein notwendiger Umweg gewesen; gewählt worden sei er, um die Gesundheitsreform durchzusetzen. Seit seiner Wahl in den US -Senat hatte er das Gespräch mit und den Rat von Historikern gesucht. Und dabei war stets sein Wunsch deutlich geworden, etwas Entscheidendes zu erreichen und ein bedeutendes Vermächtnis zu hinterlassen, so Doris Kearns Goodwin.
    Von Anfang an wollte die First Lady ihren Mann gern dabei unterstützen und für die Gesundheitsreform werben. Als sie sich einige Monate zuvor mit Nancy Ann DeParle unterhalten hatte, der Chefberaterin des Präsidenten in dieser Angelegenheit, war sie Feuer und Flamme gewesen.
Das
war ein Thema, das sie faszinierte,
dazu
wollte sie ihren Teil beitragen.
    Während ihrer Tätigkeit in der Klinik der University of Chicago hatte Michelle den miserablen Zustand des Gesundheitssystems aus erster Hand studieren können: Die gewaltigen Ausgaben für Herzerkrankungen und Diabetes, die durch billigere Vorsorge leicht hätten gesenkt werden können; die Diskrepanz zwischen hochentwickelter medizinischer Wissenschaft und einer Bevölkerung, die selbst bei so grundlegenden Themen wie der Ernährung Beratung brauchte; Patienten ohne Krankenversicherung und solche, die kurz davorstanden, sie zu verlieren. Michelles Hauptaufgabe in der Klinik hatte darin bestanden, die große Anzahl an nichtversicherten Patienten in der Notaufnahme zu staatlichen Notfallstationen zu schicken, wo sie eine medizinische Erstversorgung bekommen konnten. Während des Wahlkampfs hatten sie und ihr Mann zahllose Geschichten über die Ungerechtigkeit des Systems gehört: Krankenversicherungen, die willkürlich Kostenübernahmen für Behandlungen verweigerten; Eltern mit schwerbehinderten Kindern, die mit unzureichendem Versicherungsschutz zu kämpfen hatten; Menschen starben, weil sie sich keine

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