Die Obamas
Propaganda, als eine Fortsetzung rhetorischer Entgleisungen aus Wahlkampfzeiten 2008 . Und Obama sagte zu Mitarbeitern: Einige Amerikaner hätten eben Vorurteile und würden daher nichts akzeptieren, was er als Präsident einbringe. In der Folge verstanden die Obamas nicht, dass manche Argumente der Reformgegner nicht ganz von der Hand zu weisen waren. In dem Bemühen, Obamas Pläne umzusetzen und seine Wahlversprechen einzulösen, waren sie blind dafür, dass die Reform für das Land in dieser Legislaturperiode zu einem ungelegenen Zeitpunkt kam, wie Emanuel seinem Chef begreiflich zu machen versuchte.
Die sorgfältig durchdachte Gesundheitsreform passte perfekt zu Obamas Vorstellung, dass er sich als Präsident nicht im Klein-Klein des politischen Alltags verlor, sondern grundsätzliche und langfristige Veränderungen in Angriff nahm. Seine Aufgabe als Präsident war es indes, das Land auf solche Pläne einzuschwören, die Menschen mitzunehmen und die eigene Agenda zur Agenda der Bevölkerung zu machen. Das hatte er schlicht versäumt.
Bezeichnenderweise berief sich der Präsident, als er seinen Mitarbeitern erklärte, warum er das Gesetz trotz der hohen politischen Kosten auf den Weg bringen wollte, auf seine Frau: »Michelle und ich wären vollkommen zufrieden mit nur einer Amtszeit, wenn wir dafür das Gefühl hätten, wirklich etwas erreicht zu haben«, sagte er.
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Am Ende der ersten Augustwoche bestand die First Lady darauf, das Wochenende mit der Familie in Camp David zu verbringen. Sie war gern dort, denn sie musste dort nicht damit rechnen, fotografiert zu werden, und brauchte sich endlich einmal nicht um Make-up und Frisur zu kümmern. Außerdem konnten sich die Mädchen frei bewegen. Der Präsident fand Camp David ein bisschen künstlich, abgeschnitten vom realen Leben. Aber wenn die Obamas hinfuhren, nahmen sie normalerweise Freunde mit, weil es Platz wie in einem Feriendorf gab, viel zu viel für eine einzelne Familie. Warum sie ausgerechnet an diesem Wochenende nach Camp David fahren sollten, wollte Barack Obama allerdings nicht einleuchten; es komme ja nicht einmal jemand mit, protestierte er.
Kaum waren sie am Samstagmorgen in Camp David gelandet, wurde der Präsident wegen eines dringenden Anrufs ins Haupthaus gerufen. Es wirkte eigenartig düster und still, als er eintrat. »Hallo, ist hier jemand?«, rief er, als sich weder seine Familie noch Angestellte blicken ließen. Keine Reaktion.
Seine Frage war das Stichwort, auf das die Gestalten, die im Dunkeln lauerten, gewartet hatten. Die Lichter gingen an, und lautes Geschrei brach los: »Überraschung! Viel Glück zum Geburtstag!« Der mächtigste Mann der Welt war völlig entgeistert. Ein Dutzend seiner Freunde aus allen Lebensabschnitten umringten ihn. Sie waren am Abend zuvor eingetroffen. Seine Kindheitsfreunde aus Hawaii waren da und auch die vom College. Marty Nesbitt, Eric Whitaker, John Rogers und Alan King waren aus Chicago gekommen – sie gehörten zur eingeschworenen South-Side-Clique. David Axelrod und Robert Gibbs waren aus Washington angereist. Obamas Töchter hatten den Raum dekoriert.
»Ich werd verrückt«, murmelte der Präsident immer wieder kopfschüttelnd. »Da habt ihr mich wirklich reingelegt.«
Das freie Wochenende in den Bergen Marylands, die Einladungen, der dringende Anruf – all das hatte die First Lady organisiert. Ihr Geburtstagsgeschenk für den neuen Präsidenten war ein Wochenende weit weg von der Pennsylvania Avenue Nr. 1600 : Einmal einfach nur Barack sein, der Mensch, der er sein Leben lang gewesen war, und nicht der neue Präsident der Vereinigten Staaten. Alle Anwesenden kannten ihn noch aus der Zeit, bevor er berühmt geworden war, bevor er das ganze Gewicht der Träume der demokratischen Partei geschultert hatte. Seit ihrem Einzug ins Weiße Haus gehörte es zu Michelles Aufgaben, ihrem Mann hin und wieder eine Auszeit zu ermöglichen. »Für sie war es sehr wichtig, dass es diese kleinen Fluchten gab, und sie wählte die Gäste sehr sorgfältig aus, um sicherzustellen, dass er sich auch wirklich entspannen und frei reden konnte«, so Alan King.
Anders als der Ausflug nach New York fand die Geburtstagsfeier unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Camp David mit seinen einfachen Holzhütten und den Liegestühlen am Swimmingpool liegt auf einer weiträumig abgeschirmten Militärbasis, und die Obamas und ihre Freunde konnten sich dort bewegen, ohne ständig Presse- oder Sicherheitsleute auf
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