Die Obamas
hervorgehen«, sagte er im Interview Ende September. Die Anspielung , die zwischen den Zeilen mitschwang: Die meisten Politiker, Präsidenten und ihre Familien treibt die Sorge um, was so ein Leben mit den Menschen macht. Offen ausgesprochen wird sie nie.
Seit ihrem ersten Ausflug im Februar 2009 waren die Obamas nicht mehr in Chicago gewesen, und im Gegensatz zu anderen First Families besaßen sie kein zweites Haus, das ihnen als Zufluchtsort hätte dienen können. Jacqueline Kennedy verbrachte während der Amtszeit ihres Mannes viel Zeit in Palm Beach und in Wochenendhäusern in Virginia, und Laura Bush war häufig auf die Ranch der Familie in Texas ausgewichen. Die Obamas hatten nur Camp David. Hier waren sie viel mit den Whitakers und den Nesbitts zusammen, während andere, nicht so intensive Freundschaften mit der Zeit im Sande verliefen. Manchmal ließen sie alten Freunden Einladungen zu einem offiziellen Ereignis zukommen – zu einem Konzert oder zum mexikanischen Nationalfeiertag am 5. Mai –, und wenn sie die vertrauten Gesichter in dem Meer aus Pflichtgästen und Politikern entdeckten, waren sie außer sich vor Freude. Manchmal wirkten der Präsident und die First Lady aber auch ziemlich gestresst, wenn sie für eine Viertelstunde zu einer Abendveranstaltung erschienen.
Niemand hatte eine Gebrauchsanweisung dafür, wie man die Freundschaft mit einem Präsidenten oder einer First Lady aufrechterhielt. Brauchte man einen Vorwand, um Kontakt aufzunehmen, oder konnte man einfach spontan anrufen? Sie alle hätten die Obamas natürlich gern besucht – um zu sehen, wie es ihnen ging, um ihnen Mut zuzusprechen oder ein bisschen zu plaudern –, aber sie wollten auch nicht aufdringlich sein oder lästig fallen.
Wenn die First Lady hin und wieder eine Freundin zum Mittagessen einlud – sie dürfe schließlich das Haus nicht verlassen, scherzte sie –, ließ sie es sich nicht nehmen, eine kleine Führung durch die Wohnräume zu machen. (Aus dem für Museumsführer typischen Tonfall, in den sie dann verfiel, schloss eine ihrer Freundinnen, dass sie das ziemlich häufig tat.) Einige ihrer Freunde und Verwandten, die auf ihre E-Mails hin nie eine Antwort erhielten, fragten sich, ob sie wohl in Ungnade gefallen waren. Niemand erklärte ihnen, dass die gestressten Mitarbeiter des Weißen Hauses in der Regel nur einen Bruchteil der eingehenden E-Mails beantworteten.
Der Präsident lebte zunehmend mit dem Gefühl
politischer
Machtlosigkeit, während die First Lady unter ihrer
persönlichen
Machtlosigkeit litt. Die Ängste in Bezug auf die Sicherheit und den Mangel an persönlicher Freiheit zu ertragen, hatten die Obamas bisher als vornehme Pflicht betrachtet, als den Preis des politischen Fortschritts. Während des Wahlkampfs hatte Michelle unzählige Male zu ihrem Publikum gesagt: Wir haben ein schönes Leben geführt, jetzt beginnt eine schwere Zeit für uns, aber allein wegen des gewaltigen Beitrags, den ihr Mann für den Fortschritt leisten werde, sei es die Mühe wert. Die Entscheidung ihres Mannes, für die Präsidentschaft zu kandidieren, basiere auf der Vorstellung, dass er in diesem Amt Großes werde leisten können; dass er sich festfahren würde, war nicht vorgesehen.
Im Herbst 2009 jedoch war die Agenda des Präsidenten zum ersten Mal richtig ins Stocken geraten. Wenn er im Privaten die Lage analysierte, sprach er oft darüber, wie begrenzt seine Macht im Amt sei und wie stark ihm durch äußere Umstände – vornehmlich die wirtschaftliche Lage – die Hände gebunden seien. Anstatt den erhofften Präzendenzfall für die noch ausstehenden Themen zu schaffen, behinderte die Auseinandersetzung um die Gesundheitsreform auch alle anderen Gesetzesvorhaben. Die öffentliche Unterstützung für die Reform war so bescheiden und der Ausgang der Abstimmung im Kongress so ungewiss, dass die Regierung befürchten musste, weitere Konflikte würden das Boot zum Kentern bringen. Dank des zähen Ringens im Weißen Haus hatte das Energiegesetz immerhin das Repräsentantenhaus passiert, womit allerdings nichts gewonnen war, wenn es nicht auch vom Senat verabschiedet wurde – und damit war wiederum nicht zu rechnen, solange die Probleme um die Gesundheitsreform nicht gelöst waren. Der Präsident war optimistisch, aber die Klimaexperten innerhalb und außerhalb des Weißen Hauses fürchteten das Schlimmste.
In dieser Zeit zettelten die Republikaner und die Tea-Party-Bewegung einen Aufstand gegen eine geplante
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